Sounddesigner: Sanftes Türenschlagen und röhrende Motoren
Rüsselsheim/dpa. - Ein Porsche soll kraftvoll dröhnen, eine Harley-Davidson laut röhren und ein Mercedes elegant flüstern. Jede Marke hat einen eigenen, charakteristischen Klang, den Kunden mit geschlossenen Augen erkennen sollen.
Den typischen Sound eines Opel entwerfen rund 50 Mitarbeiter im Opel-Stammwerk Rüsselsheim. «Einen einheitlichen eigenen Marken-Sound gibt es nicht - das hängt vom Modell ab», erklärt Chefakustiker Bernhard Lange. Das meistverkaufte Modell, der Kompaktwagen Astra, müsse «sportlich und kräftig» klingen, der Kleinwagen Corsa «etwas heller». Oberstes Ziel sei das bewusste und unbewusste Wohlbefinden des Kunden, sagt der Entwicklungsingenieur.
Was früher ein Nischendasein führte, ist heute in der Autoindustrie zum unverzichtbaren Bestandteil bei der Entwicklung neuer Modelle geworden. «Der Klang des Motors ist genauso verkaufsentscheidend wie das optische Design», sagt der frühere BMW-Chefvolkswirt Helmut Becker. Früher sollten die Experten Motoren möglichst leise machen. Laut Gesetz darf ein Auto in Deutschland maximal 74 Dezibel Lärm machen, was das menschliche Ohr nicht schädigt. Heute sollen die Designer Qualität hörbar machen. «Kein Geräusch darf billig klingen - ein jaulender Fensterheber ruiniert das Vertrauen in die Zuverlässigkeit jedes Autos», erklärt der gelernte Elektrotechniker Lange, der seit 32 Jahren für den guten Ton sorgt.
Das Vorgehen verlangt Perfektion und Liebe zum Detail. Auch Musikverständnis sei von Vorteil, sagt Lange, der selbst einmal Klavier gespielt hat. «Jaulgeräusche sind in der Musik lästig und im Auto auch.» Selbst in seiner Freizeit lässt den Vater von drei Söhnen der Sound nicht los: zuhause ärgert ihn ein blechern klingender Toaster genau so wie ein zu lauter Staubsauger.
Bei der Arbeit nehmen Lange und seine Kollegen im Akustikraum, der mit seiner Schalldämmung an einen Konzertsaal erinnert, die Motorgeräusche auf und analysieren sie im Studio. Dann erzeugen sie am Computer künstlich einen Wunschton, der in die Realität umgesetzt werden soll. Für den guten Ton sorgen sie mit verschiedenen Kniffen. «In der Regel dämmen wir unerwünschte Störgeräusche und probieren andere Werkstoffe aus.» Berüchtigte Störenfriede seien Reifen, Antriebsstrang, Getriebe oder auch der Fahrtwind.
Da wird der Auspuff verlängert oder der Motor anders aufgehängt. Ein Schalldämpfer sorgt für sanfte Töne. Die Ingenieure setzen Dämmmaterialien wie Matten oder Filter ein. Das Geräusch von Motor und Auspuff können sie im Innenraum über Schläuche hörbar machen. Die perfekte Musikwiedergabe von Radio oder Navigationsgerät wird durch Zumischen von Hall erreicht. Nicht nur die Motormelodie muss gefallen: Auch Belüftungsklappen, das Türenschlagen und die Scheibenwischer müssen «Schönklang» erzeugen.
Bis ins Detail tüfteln die Akustikdesigner an ihren Klangkonzepten. Der akustische Komfort geht allerdings meist zu Lasten des Gewichts und damit des Spritverbrauchs. Isoliermaterial kann für einen Wagen bis zu 70 Kilogramm wiegen. Wegen der höheren Kosten wird längst nicht alles umgesetzt, was technisch machbar ist und den Klang optimiert. «Manchmal muss auch um Centbeträge gerungen werden», sagt der Akustiker.
Dabei unterliegt Sounddesign fast immer der Geheimhaltung, um den Kunden nicht abzuschrecken. Der Käufer könnte sonst Manipulation vermuten. Der eigentliche Gegner der Soundingenieure ist das Unterbewusstsein der Käufer. «Schon beim ersten Zuklappen der Fahrertür im Showroom des Händlers entscheidet sich, ob der Kunde ein Modell für solide und sicher hält», sagt Opel-Sprecher Jörg Schrott.
Völlig lautlos wird es beim Autofahren wohl nie zugehen. Denn erst das richtige Geräusch vermittelt nach Ansicht von Lange den richtigen Genuss. Aus Sicherheitsgründen muss ein Teil der Geräusche erhalten bleiben. So muss ein Fahrer - auch ohne den Blick von der Straße zu nehmen - hören können, wenn der Sicherheitsgurt eingerastet oder das Fenster geschlossen ist. Aus diesem Grund machen auch die Blinker das vertraute «Klick-Klack» wie vor 20 Jahren.