Schutz bei Unfällen Schutz bei Unfällen: Fahrradhelme können Leben retten

Gütersloh/Enger/dpa. - Wie mit einem Donnerschlag hat der 10. Juni 2000 das Leben der Familie Bosse geändert. Die älteste Tochter Beate stürzte mit ihrem Fahrrad und mit dem Kopf auf einen Pflanzenkübel. Seitdem liegt die damals 16 Jahre Frau im Wachkoma.
Beate liefert ein erschreckendes Argument für das Tragen von Fahrradhelmen. «Sie war gegen einen Abgrenzungsstein gefahren, noch nicht einmal so hoch wie ein Bordstein», sagt ihre Mutter, Brigitte Bosse. Jetzt, vier Jahre nach dem Unfall, kann Beate sich nicht bewegen, nicht essen oder trinken und ist blind. «Durch die Verletzungen ist der größte Teil ihres Gehirns zerstört», sagt ihre Mutter. «Nur Teile des Stammhirns funktionieren noch, dadurch kann sie selbstständig atmen und hat Herzschlag.» Eine Prognose über ihre weitere Entwicklung könnten die Ärzte nicht geben.
Niemand wisse, wie lange sie noch leben könne. Und auch, wenn sich ihr Zustand in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht verschlechtert habe: «Ihr Gehirn baut immer weiter ab.» Verarbeitet hat die 42-jährige Brigitte Bosse das Geschehen noch nicht - «und das werde ich wohl auch nie.» Darüber reden aber möchte sie. «Wenn nur ein Einziger einen Helm trägt und ihm das erspart bleibt, was wir erlebt haben, haben wir etwas gewonnen.»
Dass Fahrradhelme auch bei schweren Unfällen Leben retten können, weiß Polizeihauptkommissarin Ellen Haase von der Polizei in Gütersloh. Sie hat die umfangreichste Sammlung von Helmen und den dazu gehörenden Unfallgeschichten der Polizei in NRW. «Begonnen habe ich mit dem Archivieren 1994, nachdem ich einen siebenjährigen Jungen im Krankenhaus besucht hatte.» Der Junge sei einen Tag zuvor von einem Bus mitgeschleift worden und mit dem Kopf auf den Radkasten geprallt. «Sein Fahrradhelm war in viele kleine Stücke zersprungen - er aber konnte das Krankenhaus nach einem Tag verlassen.»
Seitdem hat Haase ein beeindruckendes Archiv aufgebaut. Neben kaputten Helmen sammelt sie auch die Geschichten, die sich um die Unfälle ranken. «Ich habe Unfälle mit 40-Tonnern, bei denen der Helm das Leben des Fahrradfahrers gerettet hat», sagt sie. Oder von einer Frau, die von hinten von einem Auto mit 65 Stundenkilometer angefahren wurde und so hart mit dem Kopf auf die Windschutzscheibe schlug, dass diese brach. Auch sie überstand den Unfall dank Helm fast unverletzt.
«Viele machen sich kein Bild davon, was mit dem Kopf passiert, wenn ein Fahrradfahrer stürzt», sagt Haase. «Wer einfach nur seitlich umkippt und mit dem Kopf aufschlägt, bei dem wirkt eine Kraft von einer Tonne Gewicht auf den Schädel.» Selbst mit einem Vorschlaghammer könne man auch den preisgünstigsten Fahrradhelm nicht so zerstören, wie es bei Unfällen passiere.
Haase arbeitet mit der Bonner Hannelore-Kohl-Stiftung für Unfallverletzte mit Schäden des zentralen Nervensystems zusammen. Seit Juli versucht die Stiftung, mit einem Plakat auf das Thema Fahrradhelm aufmerksam zu machen. Das Poster zeigt ein Mädchen in einer Blutlache auf der Straße liegend. «Wir hatten auch negative Reaktionen, das Plakat sei zu drastisch», sagt Helga Lüngen von der Stiftung. Man habe die Kampagne sogar mit den provokativen Aktionen von Benetton verglichen.
Ellen Haase zeigt nicht nur die Fälle, in denen der Helm Leben gerettet hat. Auch das Überwachungsvideo einer britischen Kaserne in Gütersloh nimmt sie mit in die Schulen. «Ein Major der Armee wollte nur kurz in die Kaserne fahren und wurde von einem Auto erfasst.» Auf dem Band ist zu sehen, wie der Mann auf den Asphalt schlägt. Sofort ist die Militärpolizei vor Ort, und keine 30 Sekunden später ein Rettungswagen, der nur zufällig vorbeikam. «Man sieht, dass die Sanitäter sofort anfangen zu arbeiten.» Aber währenddessen breitet sich rund um den Kopf des Opfers eine Blutlache aus. Der 32-Jährige ist sofort tot.