Nissan Nissan: Der Saubermann für übermorgen
Halle/MZ. - Ich drehe den Schlüssel noch mal rum und der Wagen springt an. Läuft er wirklich? Er läuft, man hört es nur nicht. Unter meinen Füßen schnurrt ein Elektromotor. Den Strom dafür liefert jetzt die Brennstoffzelle. In ihr reagieren Wasserstoff und Sauerstoff miteinander und es entsteht Strom, schädliche Abgase gibt es nicht.
Gang einlegen und ab geht es mit 123 PS (90 kW). Der X-Trail überrascht mich. Er zieht sehr kräftig an, fast wie ein "richtiges" Auto. Das liegt daran, dass der Elektromotor von Beginn an das höchste Drehmoment abgibt (280 Nm). Später lässt der Durchzug nach. Oberhalb von 120 muss ich dann sehr genau kalkulieren, wann ich schadlos zum Überholen ansetzen kann. Den Gang wechseln ist nicht nötig, es gibt nur eine Gangstufe. Sie zieht den Wagen sanft wie an einem Gummiband nach vorn. Irgendwie erinnert der Vortrieb an Roller fahren. Ich trete kräftig auf das Gaspedal. Nur Wind- und Reifengeräusche dringen nach innen, und so bleibt das auch bei hohem Tempo. Nach zwei Stunden habe ich mich unerwartet daran gewöhnt, dass das Motorgeräusch fehlt.
Auf 150 km / h kommt der blaue Wagen mit den drei Buchstaben FCV auf den Seitentüren. F steht für Brennstoff (fuel), C für Zelle (cell) und V für Vehicle, Brennstoffzellen-Auto. Fünfundzwanzig solcher Wagen testet Nissan derzeit weltweit, zwei davon konnten dieser Tage erstmals auf öffentlichen Straßen in Europa gefahren werden. Jedes Auto hat einen Wert von 1,3 Millionen Euro.
Mercedes, Volkswagen, Ford oder Toyota u. a. testen ihre Brennstoffzellen-Konzepte schon über ein Jahrzehnt lang. Honda produziert ein Brennstoffzellenauto in Kleinserie und bietet es in Japan Leasingkunden an. BMW speist Wasserstoff direkt in einen Verbrennungsmotor ein, ohne Brennstoffzelle. Nissan forscht daran seit 1996. 2003 fuhr das erste Testauto der Marke mit dieser Technik, das kam knapp 100 Kilometer weit. Die Reichweite hängt u. a. davon ab, mit welchem Druck welche Menge Wasserstoff in den Tank gedrückt wird. Gelingt es, sechs Kilo mit 700 bar hinein zu pressen, sind theoretisch 500 Kilometer möglich. Aber weltweit gibt es nur eine Tankstelle, die den Wasserstoff derart stark komprimieren kann.
Die vier Kilo, die mit 350 bar in mein Versuchs-Mobil gedrückt wurden, sind gut für etwa 350 km. Und flinker geworden sind die Wagen. Mein Testmodell könnte in 14 Sekunden auf Tempo 100 flitzen, anfangs waren es 23 Sekunden. Doch dieser X-Trail verleitet mit seiner Ein-Gang-Automatik zum entspannten Fahren, nicht zum Sprinten. Als ich nach zwei Stunden zum Tanken vorfahre, sind gut 100 km geschafft. Ein Kilo Wasserstoff ist verbraucht, macht etwa zehn Euro. Die Umwelt hat unter der Ausfahrt nicht gelitten, nur ein wenig Wasserdampf kam raus.
Die Freude darüber aber ist gedämpft. Denn in ganz Deutschland gibt es derzeit nur vier Tankstellen für Wasserstoff und mehr werden es auf sehr lange Sicht nicht. Zu teuer die Tanktechnik, zu aufwendig die Logistik. Und die Herstellung von Wasserstoff verschlingt derzeit noch Unmengen an Geld und Energie. Bei ihrer Produktion fällt jede Menge Kohlendioxid an.
Nichtsdestotrotz spricht Nissan davon, 2015 ein Serienfahrzeug fertig zu haben. Die Japaner müssen aber dabei wie andere Hersteller auch mit der Kritik leben, dass die Brennstoffzellen-Autos vor allem grüne Image-Mobile für die Konzerne seien, aber nicht wirksam genug helfen können, akute Umweltprobleme zu lösen.
Über den Preis solcher Autos mag niemand reden, zu viel Spekulation steckt drin. Kleinserien dürften es zunächst sein, eher ein Auto für lange Strecken. Die Stadt wird wohl das Revier des reinen Elektroautos werden, das an der Steckdose tankt, übermorgen oder überübermorgen. Im Ursprungsland des FCV-Nissans aber können schon heute Neugierige Testfahrten in die Wasserstoff-Zukunft buchen. Wer umgerechnet 150 Euro hinlegt, kann sich von einem Chauffeur abgasfrei durch den Smog von Tokio kutschieren lassen.