MZ-Thema MZ-Thema: Drogen am Steuer kein Kavaliersdelikt
Halle/MZ. - Und die Tendenz steigt. In Sachsen-Anhalt registrierte das Innenministerium im Jahr 2000 15 Unfälle mit der Ursache Drogen. 2005 waren das bereits 63. "Besonders schlimm ist, dass es dabei 21 Schwerverletzte gab", sagt Martin Krems, der Pressesprecher.
Medizinische Gutachten
"Wer illegale Drogen konsumiert, ist für das Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet und riskiert den Führerschein", sagt Willi Stichling, Chef für das Fahrerlaubniswesen bei der Dekra in Halle. Anders als bei Alkohol könne die Straßenverkehrsbehörde bereits bei kleinsten Mengen Cannabis, Ecstasy, Haschisch oder anderen Drogen ein medizinisch-psychologisches Gutachten anordnen. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sei dann mit einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit zu rechnen. Kommt der Fahrer der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) nicht nach, ist der Führerschein unter Umständen weg - und das selbst dann, wenn der Betroffene zum ersten Mal gekifft hat, wie beispielsweise das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschieden hat (Aktenzeichen 3 Bs 87 / 05).
Ulrike Andrae ist Diplom-Psychologin bei der Dekra-Begutachtungsstelle in Halle. Sie kennt die Probleme der Betroffenen und registriert mit Sorge, dass bereits mehr als zehn Prozent ihrer Klienten wegen des Konsums von illegalen Drogen zur MPU kommen. Besonders auffällig seien jugendliche Fahranfänger bis 25 Jahre.
"Die Untersuchung entscheidet sich im Wesentlichen nicht von der von Alkoholsündern", erklärt Andrae. Es gebe eine medizinische Untersuchung, ein Gespräch mit dem Psychologen, einen Reaktionstest und Fragebögen seien auszufüllen. Die Kosten dafür liegen mit mehr als 500 Euro deutlich höher als für ein Gutachten nach einem Alkoholdelikt. "Das hängt mit dem Urinscreening zusammen", erklärt die Psychologin. Nur damit könne ein aktueller Drogenkonsum bestätigt oder ausgeräumt werden.
Für illegale Drogen gelten - anders als beim Alkohol - keine verbindlichen Grenzwerte. Zwar hat 2004 das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Cannabis-Konsument seinen Führerschein verliert, wenn eine Mindestkonzentration der Drogensubstanz von einem Nanogramm pro Milliliter Blut (ng / ml) nachgewiesen ist. Das Urteil ist unter Experten jedoch umstritten. "Nicht selten zeigt sich im Rahmen der medizinisch-psychologischen Gutachten, dass neben der Einnahme von Cannabis auch ein zusätzlicher Konsum anderer Betäubungsmittel vorgelegen hat", sagt Ulrike Andrae. Die Beeinträchtigungen der Denk- und Leistungsfunktionen im Straßenverkehr würden durch einen Drogenmischkonsum auf unvorhersehbare Weise weiter verstärkt. Potenziert würden die Wirkungen häufig durch den zusätzlichen Genuss von Alkohol.
Für andere Substanzen gibt es solche gesetzlichen Grenzwert-Festlegungen bislang nicht. Deshalb wird eine Fahrt unter Drogeneinfluss entweder als Straftat oder als Verkehrsordnungswidrigkeit bewertet. Die Führerscheinbehörde wird darüber informiert und muss Maßnahmen einleiten: ein Drogenscreening, ärztliches Gutachten oder eine MPU.
"In der medizinisch-psychologischen Untersuchung soll in erster Linie festgestellt werden, ob der Drogenkonsument hinreichend lange und konsequent auf Betäubungsmittel verzichtet hat", erklärt Ulrike Andrae. Die Art der vorherigen Konsummuster und die Schwere der Drogenproblematik entscheiden über die notwendigen Abstinenzzeiträume. In der Regel sei ein einjähriger Drogenverzicht durch geeignete polytoxikologische Urin- und Haaruntersuchungen zu belegen. Erst dann besteht die Chance, den Führerschein wieder zu bekommen.
Hinweise und Empfehlungen darüber, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine günstige Prognose möglich ist, sollten sich Betroffene rechtzeitig im Vorfeld einer Fahreignungs-Begutachtung einholen. Sowohl bei der Dekra als auch beim Tüv gibt es diesbezüglich Informationsveranstaltungen und Beratungen.
Typischer Geruch
Während Menschen, die sich unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr bewegen, im Rahmen von allgemeinen Verkehrskontrollen relativ einfach auf die Schliche zu kommen ist, ist das bei Drogen schwieriger. Es gibt keine "Pustegeräte", auch wird Drogenkonsum nicht immer geruchlich wahrgenommen. "Bei Cannabis allerdings fällt der typische, hartig-muffige Geruch schon auf", schränkt Ulrike Andrae ein. Übergroße oder extrem kleine Pupillen, hektische Bewegungen und Schweißausbrüche gelten als auffällige Anzeichen. Nähere Gewissheit kann aber erst ein Drogen-Schnelltest bringen.
Ob der Drogenkonsum dann als Straftat oder Ordnungswidrigkeit gewertet wird, hängt auch davon ab, ob die Fahrweise auffällig war. Wenn der Autofahrer zwar Drogenspuren im Blut hat, aber ansonsten unauffällig ist, wird es dennoch teuer: 250 bis 750 Euro werden fällig, dazu ein bis drei Monate Fahrerlaubnisentzug und vier Punkte in der "Verkehrssünderkartei" Flensburg. Steht der Autofahrer deutlich unter Drogeneinfluss, wird dies in der Regel als Straftat gewertet.