MZ-Test: VW Phaeton MZ-Test: VW Phaeton: Unterwegs ins Oberhaus
Wolfsburg/MZ. - Gefahren wurde der kleine Phaeton, der "billige", der, der mit 57 300 Euro als Einstiegspreis in der Liste steht. Sein Steckbrief spiegelt den Preis. Sechs Zylinder, verteilt auf 3,2 Liter Hubraum, aus denen sich 241 PS locken lassen. Es gibt von alledem auch (fast) das Doppelte. Drin ist auch im Phaeton alles, was technisch möglich, sinnvoll und bezahlbar ist, also die übliche Liste der Airbags, Bremsassistenten, ESP etc.
Fünf Meter und fünf Zentimeter lang ist der Phaeton. Das merkt man kaum. Überaus handlich lässt sich der Riese einparken, nur beim Blick zurück wird es unübersichtlich. Breite Dachsäulen hinten und die Kombination von Mittelsäule und Fahrerkopfstütze engen den Blick ein. Das Piepsen der Rückfahrhilfe wird hier als sehr hilfreich empfunden.
Was man an der Länge hat, merkt man im Hochgeschwindigkeitsbereich: Was für ein Fahrwerk! So viel Ruhe, so viel Souveränität. Luftfederung verstärkt den Sänften-Charakter. Man kann wählen, ob man hart oder weich getragen werden will, hoch oder tief über dem Asphalt. Soll man hier über Unter- oder Übersteuern philosophieren? Man merkt im Normalbetrieb von alledem nichts. Wahrscheinlich würde man, täte man es messen, herausfinden, dass sich die luftgefederte S-Klasse in Kurven um soundsoviel Zehntel weniger neigt - so what? Im Alltag misst das Popo-Meter, und das signalisiert klar: null Problemo in der fixen Kurve.
Länge läuft, heißt es. Im 5-Meter-Phaeton erfährt man, wie das gemeint ist. Und man registriert an sich selbst auch bald, wie dieser Vorzug scheinbar die eigene Aufmerksamkeit reduziert. Tempo 230 kommen einem vor wie 130, man wähnt sich langsam, sicher, gleichwohl man rast. Das merkt man auch beim Blick auf den Bordcomputer. Die sehr entspannt fahrbare Reisegeschwindigkeit jenseits der 200 km / h quittiert der Sechszylinder mit etwa 15 Litern im Schnitt. Über 12 Liter kann man sich bei moderater Fahrweise unter 150 km / h freuen, wenn man die Automatik (Sonderwunsch) tun lässt, was der Rechner ihr sagt. Der macht seine Arbeit sehr diskret. Die Übergänge zwischen den Schaltstufen sind praktisch nicht spürbar. Wer aufs Sparen pfeift, kann die Gänge beim Automatikgetriebe munter auch per Handschaltung ausfahren. Wahlhebel einfach nach rechts drücken und bei voller Fahrt sich von der Automatik verabschieden. Ein echtes Sahnestück für Genießer ist das Sportprogramm der Automatik. Das liefert deutlich mehr Spurtkraft, klar, aber vor allem liefert es bei 6 300 Umdrehungen einen Sound, als säße man in einem rassigen 300-PS-Sportler.
Die Welt draußen ist weit weg im Phaeton. Man ahnt den Riesenaufwand, den VW zur Geräuschdämmung betrieben haben muss. Bei Geschwindigkeiten unter 100 hört man vom kleinen Sechszylinder - schließlich gibt es ja auch die 12-Zylinder-Flüstermotoren - nichts. Die Reifen rollen ab, der Wind umstreicht das Blech, das war es an Geräusch. Das sehr breite Armaturenbrett, bestückt mit feinstem Material, verstärkt den Eindruck des gelassenen Dahingleitens durch die laute Straßenwelt draußen. Der Phaeton-Fahrer ist dabei umzingelt von einem Überfluss an Schaltern und Knöpfen. Mag sein, dass beim Zählen einer vergessen wurde - 92-mal kann der Fahrer an irgendetwas drehen oder irgendetwas drücken. Ist das nötig? Allein das Lenkrad bietet mehr als ein Dutzend Varianten zum Knopfdrücken. Das nervt anfangs. Bald merkt man natürlich, dass man sie ja nicht ständig alle bedienen muss. Gut, dass sich das Radio auch außerhalb des Menüs steuern lässt. Der Phaeton-Fahrer nimmt Platz in breiten Sesseln, die auf Wunsch den Rücken massieren und kühlen. Letzteres schafft auch die Klimaautomatik, fein dosierbar und lenkbar, vorausgesetzt, man bedient alles korrekt und hat das dickbäuchige Bedienhandbuch gut gelesen. Das empfiehlt sich generell bei diesem Wagen, denn manchen verborgenen Vorzug des Phaeton entdeckt man erst nach dieser Lektüre.
Wer seinen Mitfahrern Gutes tun will, ordert - plus 11 000 Euro - hinten elektrisch verstellbare Einzelsitze und eine Klimanlage für den Fond, wo es fürstlichen Knieraum gibt. Arbeit wird von Fahrern und Mitfahrer möglichst fern gehalten. Stellmotoren bewegen die Sitze, das Lenkrad, Kopfstützen, Gurtverstellung. Viel Gewicht kommt da zusammen, das zählt mit bei den 2,1 Tonnen, die der kleine Phaeton wiegt. Schwächlich wirkt er dennoch nicht, er packt die Tonnage gut und gut laden kann man auch: Der Kofferraum ist riesig.
Zurück zum Anfang. Phaeton? 7er? S-Klasse? Das Problem des Phaeton liegt im Emotionalen, Spott inklusive. Denn der Sohn des griechischen Sonnengottes Helios hieß Phaeton. Der stürzte brennend in den Fluss Eridanus. Volkswagens Phaeton will steigen, aufsteigen in der Luxus-Klasse, da nervt die ständige Frage von unkundigen Menschen: Ist das ein großer Passat? Auch Überholer sind verunsichert. Kaum sind sie vorbei, gehen die Köpfe zurück: Was ist denn das? Doch auch vorn ist das Wort Phaeton unsichtbar, nur drinnen steht es klein und silber glänzend unter dem Tachometer. Das sieht bloß der Fahrer. Aber der weiß ohnehin, was er hat: ein Automobil vom Feinsten, einen Aufsteiger.