Maxi-Roller Maxi-Roller: Attacke im Doppelpack
Halle (Saale)/MZ. - Da wird sich mancher verdutzt die Augen reiben: BMW baut Roller? Motorräder, ja. Die kennt man seit fast neunzig Jahren. Eines von ihnen, die große Reise-Enduro R 1200 GS, ist seit vielen Jahren in Deutschland das mit Abstand meistverkaufte Motorrad - obwohl es ohne Extras 13 765 Euro kostet.
Die Bayern fangen also auf zwei Rädern wahrlich nicht bei Null an. Auch mit einem Roller hatten sie es im Jahr 2000 schon mal versucht, aber das ging gewaltig in die Hose, denn den C1 wollte kaum jemand kaufen - ein Roller mit Dach, "Überrollbügel", Sicherheitsgurt und deshalb ohne Helm zu fahren. Nach drei Jahren wurde seine Produktion eingestellt. Nun ein neuer Anlauf, jetzt aber richtig. Der zweite Versuch sieht aus wie ein echter Roller - und fährt wie ein Motorrad, wie auf den ersten Testkilometern zur Weltpremiere zu erleben war.
Zwei Zylinder an Bord
Das neue Scooter-Angebot kommt im Doppelpack daher. Der eine heißt C 600 Sport, der andere C 650 GT. Das verwirrt - warum eigentlich, BMW? - etwas. Den Unterschied zwischen beiden Modellen bestreiten Design, Sitzposition und Ausstattung. Ansonsten steckt in beiden Rollern dieselbe Technik, beide haben 647 Kubik Hubraum, beide leisten 60 PS. Wer sich bei Rollern nicht so auskennt, dem sei ein Vergleich angeboten. Ein Roller mit 60 PS ist so etwas, wie ein Auto mit 300 PS. BMW fährt also ganz oben mit in der 600 Kubik-Klasse, wo sich nur eine Handvoll vergleichbarer Maxi-Scooter tummeln.
Ein Zweizylinder-Reihenmotor treibt die Bayern-Roller an, eine Neuentwicklung, kein umgebauter Motorradmotor aus eigenem Haus. Das ist ein extrem zupackendes Triebwerk. Es garantiert einen Vorschub wie bei einem leichten Mittelklasse-Motorrad, immer geht es spritzig voran. Überholen auf der Autobahn kein Problem, an der Ampel ist man der Erste und sehr schön die Gasannahme beim kräftigen Beschleunigen am Berg. Das ist überaus eindrucksvoll, da muss sich die Konkurrenz (z. B. Suzuki Burgmann 650 oder Yamaha T-Max) warm anziehen. Auf genau diese Rollerfahrer schielt BMW, dort will man vor allem Kunden abwerben.
Ungewöhnliche Federung
Fährt man - das gilt für beide Roller - entsprechend forsch, ist man weit weg von den versprochenen 4,8 Litern auf 100 km (bei konstant 90). Bei konstant 120 km / h stehen 6,1 Liter in der Liste, soviel verbrauchen viele moderne Kleinwagen. Immerhin sind aber 16 Liter im Tank. Die Kraft wird wie üblich bei Rollern über eine Automatik aufs Hinterrad gebracht, hier allerdings - eher untypisch - über eine Kette. Vom Motorrad inspiriert ist indes der Roller-Rahmen. Der garantiert absolute Stabilität auch bei hohem Tempo, denn immerhin sind locker über 170 km / h möglich.
Ungewöhnlich für einen Scooter ist die Federgabel vorn mit 115 mm Federweg. Hinten sorgt links ein Federbein für Dämpfung, beides mit sehr langen Federwegen, was für viel Komfort sorgen kann, aber zugleich jene Härte sichert, die man sucht, wenn man flott durch Wechsel-Kurven wedelt. Und das beherrschen beide ausgezeichnet. Vor der Kurve bremsen, Gashahn auf im Kurvenscheitelpunkt und ab geht es. Wer sie sucht, kann passable Schräglagen mit dem Schwergewicht (261 Kilo) erreichen. Und er kann auf vortreffliche, fein dosierbare ABS-Bremsen vertrauen, vorn zwei große Scheiben, hinten eine. Eine wirklich gute und neue Idee: Beim Ausklappen des Seitenständers wird eine Parkbremse ausgelöst.
Fährt man beide Roller im direkten Vergleich, merkt man, dass man auf dem C 600 Sport deutlich anders sitzt, sportlicher eben. Der Lenker liegt dann anders in der Hand, die Armaturen sitzen weiter unten, die Verkleidung ist knapper, man ist beim Fahren noch ein Stück mehr am Motorrad dran. Der GT indes ist der große Luxustourer, üppig die Verkleidung, elektrisch verstellbar die Scheibe (perfekter Windschutz!), alles auf einem Standard - auch was Design und Verarbeitung anbelangt - wie man ihn von den großen Reisetourern der Marke kennt, also auch mit einem sehr vielseitigen Bordcomputer.
Pfiffiges Staufach
Unter die Sitzbank (langstreckentauglich, komfortabel für den Sozius) passen zwei Integralhelme. Da der Sportler hinten etwas knapper geschnitten ist, steht weniger Raum bereit. Deshalb kann man im Stand den Stauraum mit einer pfiffigen Lösung für zwei Helme vergrößern. Vorn gibt es zwei Klappfächer links und rechts, leider mit erschreckend wackligem Verschlussmechanismus. Für die große Tour ist ein Topcase bestellbar und ein durchdachter "Tankrucksack" mit vielen Staufächern.
Nach 300 Premieren-Kilometern kann man sich der Faszination für die Bayern-Maxi-Roller nicht entziehen, bleibt aber auch grübelnd zurück. Ein toller Roller - aber wer soll / wird den kaufen? 11 450 Euro kostet der GT, 11 100 die Sport-Version. Mit den lockenden Extras kann man gar an 13 000 Euro kratzen. Die Idee in diesem Projekt ist zeitgemäß und wird vom Hersteller mit dem neuen Slogan "Urban Mobility" überschrieben, es geht also um städtische Mobilität.
Chancen in Metropolen
Verkehrsraum für Autos wird immer enger in Ballungsräumen, Sprit immer teurer, Parkflächen bleiben knapp. Die C-Roller sollen eine zweirädrige Alternative mit höchstem Komfort und feinster Technik für genervte Autofahrer anbieten. Ob das in Deutschland mit diesen Preisen funktioniert? Hier sind die Maxi-Roller traditionell in der Unterzahl. In Metropolen wie Paris, Rom, Mailand, Madrid, Barcelona, wo sich Millionen in einer überlasteten Verkehrsinfrastruktur bewegen - schon heute vielfach mit Großrollern - könnte der BMW-Scooter indes große Chancen haben.