Kerstin Wendt Kerstin Wendt: «Was die können, kann ich auch»
Halle/MZ. - Bei der Arbeit selbst ist sie allerdings in ihrem Element. "Der Job ist ungeheuer abwechslungsreich, man begleitet einen Menschen ja vom ersten Verkaufsgespräch an bis zur Auslieferung, erlebt die Freude des Käufers, wenn er seinen Wagen entgegennimmt, das macht Spaß", bekundet sie zufrieden. Dass ihr Berufsweg sie einmal in die Automobilbranche führen würde, hätte sie sich indes früher wohl wirklich nicht vorstellen können. Der Wechsel von der Kinder- zur Kundenbetreuung in ihrer Biografie ist, wie bei vielen anderen auch, geprägt durch die Brüche und Wendungen der Wende - bis 1993 hat Kerstin Wendt als Erzieherin gearbeitet. Da sei sie dann "rausgefallen", beschreibt die Mutter eines heute 19-jährigen Sohnes ihre Entlassung. "Aber nur zu Hause rumsitzen wollte ich nicht."
Sie bewarb sich zunächst als Außendienstmitarbeiterin für eine Spielzeugfirma und merkte, "dass Verkaufen mir liegt und Spaß macht". Nach einem Jahr wechselte sie dann von den kleinen zu etwas größeren Spielzeugen und arbeitete für ein Autohaus in Rodleben, bevor sie im Oktober 2000 zu Audi nach Wittenberg wechselte. Hier ist sie unter acht Verkäufern die einzige Frau.
"Eine bewusste Entscheidung", wie der Geschäftsführer Hubert Faust betont. "Frauen bringen Ruhe ins Team und kommen auch bei manchen Kunden gut an", so seine Überzeugung. Faust ist zudem sicher, dass Autos verkaufen nicht wirklich erlernbar ist: "Entweder man kann es oder man kann es nicht und ob jemand geeignet ist, merkt man sehr schnell." Dass Kerstin Wendt zu den Besten im Konzern zählt, macht ihn durchaus stolz und bestätigt ihn in seiner Wahl. Mit ruhiger und charmanter Stimme führt Kerstin Wendt derweil Kundengespräche am Handy. Sie nimmt sich Zeit für ihre Kunden und wer ihr zuhört, weiß, warum sie sagt: "Gespräche sind das A und O." Sie freut sich, wenn ein neuer Käufer sich bei ihr meldet, weil ein anderer Kunde sie empfohlen hat. "Die Chemie muss stimmen, sonst funktioniert gar nichts." Dass darüber hinaus natürlich auch Wissen gefragt ist, steht für die Top-Verkäuferin außer Frage. Stets auf dem Laufenden zu sein, was neue Modelle und technische Entwicklungen angeht, ist für sie selbstverständlich. Vor einem Jahr hat sie auch ihre Prüfung als geprüfter Automobilverkäufer abgelegt.
Dass sie indes trotzdem nicht jedes technische Detail erläutern kann, ist für Kerstin Wendt kein Problem. "Die Kunden interessieren sich doch in erster Linie dafür, was für Vorteile sie durch eine technische Neuerung haben, nicht, wie sie im einzelnen funktioniert." Im Notfall könne sie immer noch den Werkstattmeister zu einem Gespräch hinzubitten. Und im Übrigen ginge das ihren männlichen Kunden genauso.
Der Ehrgeiz, sich in einer mehrheitlich von Männern geprägten Domäne durchzusetzen, treibt sie gleichwohl an. "Was die können, kann ich auch", bekundet sie selbstbewusst und kann sich inzwischen gar nicht mehr vorstellen, wieder in ihrem alten Beruf als Erzieherin zu arbeiten.
Mit ihrem Verkaufstalent hat sich die 39-Jährige nun eine Reise verdient: Drei Tage London sind im Juni fest in den Terminkalender eingeplant. Der Autokonzern belohnt mit diesem Wochenendtrip seine besten Verkäufer. Und das einzige, was Kerstin Wendt dabei noch ein wenig Sorgen bereitet, ist der Linksverkehr.