Fragen und Antworten Fragen und Antworten: Wann dürfen Autofahrer zu schnell fahren?

Geschwindigkeitsüberschreitungen gehören zu den häufigsten Vergehen im Straßenverkehr, doch nicht immer muss der Sünder mit einer Strafe rechnen: „Die Übertretung des Tempolimits ist legal, sobald ein rechtfertigender Notstand gemäß § 16 OWiG vorliegt“, erklärt Rechtsanwalt Mathias Voigt, Vorsitzender des Verbands für bürgernahe Verkehrspolitik e.V.
Darf man bei Durchfall zu schnell fahren?
Solch ein Notstand ist zum Beispiel gegeben, wenn eine Person in Lebensgefahr schwebt, oder bei einem Autofahrer während der Fahrt plötzlich Durchfall auftritt. Hierbei handelt es sich jedoch immer nur um eine Einzelfallentscheidung.
Bekommen Autofahrer auf der Autobahn plötzlich Durchfall, sollten sie zügig die nächste Ausfahrt oder den nächsten Rastplatz ansteuern. Auf dieser Strecke dürfen sie das Tempolimit dennoch nicht so stark überschreiten, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet wird. Wichtig: Wenn die Autobahn einen Seitenstreifen besitzt, müssen Autofahrer zudem dort anhalten, um ihre Notdurft direkt hinter ihrem Fahrzeug zu verrichten.
Sollten Fahrer vor Fahrtantritt jedoch wissen, dass sie an einer Durchfallerkrankung leiden, kann der Stuhlgang nicht als Ausrde herhalten. So entschied das Amtsgericht Lüdinghausen (Aktenzeichen: 19 OWi-89 Js 155/14-21/14), dass Autofahrer in solch einer Situation gar nicht erst losfahren dürften oder die Route so planen müssten, dass sie stets anhalten könnten.
Was gilt, wenn die Beifahrerin Wehen hat?
Liegen Frauen in den Wehen, muss es häufig schnell gehen. Die erlaubte Geschwindigkeit auf dem Weg zum Krankenhaus zu überschreiten, ist jedoch nicht immer ratsam. Da für Schwangere in den Wehen in der Regel keine Gefahr für Leib und Leben besteht, liegt auch kein rechtfertigender Notstand laut § 16 OWiG vor.
Fahren werdende Eltern auf der Fahrt ins Krankenhaus daher zu schnell, müssen sie die Konsequenzen der Geschwindigkeitsüberschreitung in Kauf nehmen.
Zu hohes Tempo wegen kranker Tiere?
Anders als bei Menschen ist der Notstandsparagraph bei Tieren häufig kein Rechtfertigungsgrund für eine Geschwindigkeitsüberschreitung. So haben bereits mehrere Gerichte entschieden, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs wichtiger ist als das Leben oder die Gesundheit eines Tieres. Wer also sein krankes Tier schnellstmöglich zum Tierarzt bringen möchte, muss sich an die Verkehrsregeln halten - auch wenn das Tier während der Fahrt sterben könnte.
Fahren Autofahrer in dieser Situation zu schnell, besteht meist lediglich die Möglichkeit, Bußgeld, Punkte und Fahrverbot zu reduzieren. Gänzlich umgehen können Verkehrsteilnehmer die Strafe aber in der Regel nicht. Die Entscheidung darüber liegt allerdings immer im Ermessensspielraum der Richter.
Was ist, wenn der Beifahrer brechen muss?
Nicht nur Tiere können krank sein, auch der Beifahrer kann sich unwohl fühlen. Was dann? Das Oberlandesgericht Bamberg (Aktenzeichen 3 Ss OWi 1130/13) urteilte, dass auch dann nicht gerast werden darf. Im konkreten Fall war ein Taxifahrer in einer Lärmschutzzone auf der Autobahn 64 km/h zu schnell gefahren, weil er befürchtete, sein betrunkener Fahrgast werde sich Erbrechen. Er wurde geblitzt und erhielt einen Bußgeldbescheid über 440 Euro und zwei Monate Fahrverbot. Der Taxifahrer wehrte sich jedoch gegen das Bußgeld und behauptete, es sei ein Notfall gewesen.
Sein Argument: Er habe eine Verunreinigung seines Taxis durch Erbrochenes verhindern und deshalb möglichst schnell die nächste Ausfahrt erreichen wollen. Das zunächst zuständige Amtsgericht hatte Verständnis und gab dem Einspruch wegen eines rechtfertigenden Notstands statt.
Das OLG Bamberg sah die Sache allerdings anders: Es sei nicht klar, ob schnelles Fahren überhaupt hätte verhindern können, dass sich der Fahrgast übergibt.
