Fahrrad Fahrrad: Was Fahrrad-Bremsen können müssen

Tübingen/Stuttgart/dpa. - Es ist noch nicht allzu lange her, dass Fahrradbremsen gerade in Notsituationen nicht immer geeignet waren, Schlimmes zu verhindern. Doch in den vergangenen Jahren hat sich auf diesem Gebiet einiges getan. So ist manches Bremssystem derart zupackend, dass der Fahrer vor allem darauf aufpassen muss, beim abrupten Stopp nicht über den Lenker zu fliegen. Gleichzeitig hat sich die Vielfalt der angebotenen Bremstypen so erweitert, dass Laien oft nur erahnen können, welches System wirklich für die persönlichen Anforderungen das beste ist.
Das Gros der verkauften Bremssysteme gehört zu jener Gattung, die unter dem Oberbegriff Felgenbremsen zusammengefasst wird. Dazu zählen vor allem die Cantilever-Bremsen, bei denen je zwei Hebel mit Bremsgummis am Rahmen beziehungsweise der Vorderradgabel befestigt sind. Betätigt werden sie über einen Bowdenzug. Die Weiterentwicklung dieses Prinzips trägt den Namen V-Brake. Prinzipiell sind sie an den längeren Bremshebeln zu erkennen. «V-Brakes haben eine starke Bremswirkung», sagt Andreas Oehler vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Tübingen.
Allerdings setzt die Bremswirkung manchmal so abrupt ein, dass ungeübte Fahrer das Rad unfreiwillig im Flug über den Lenker verlassen. «Wegen der Dosierbarkeit ist es wichtig, sich an das System zu gewöhnen und anfangs vorsichtig zu bremsen», rät Oehler. Dieses Problem ist bei der neuen Oberklasse der Felgenbremsen geringer. Denn neben den klassischen V-Brakes mit Bowdenzug gibt es nun auch solche mit hydraulischer Betätigung.
Statt eines Seilzugs gibt es hier eine Leitung, durch die beim Bremsen Öl gepresst wird, um Hydraulikkolben zu bewegen, die dann die Bremsklötze an die Felge drücken. «Diese Bremsen sind gut dosierbar, weil die Reibung und Dehnung der Bowdenzüge entfällt.» Ein weiterer großer Vorteil der hydraulischen Systeme ist, dass sie sich automatisch nachstellen, so Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad Industrie-Verbandes (ZIV) in Schwalbach.
Einen großen Anteil an der verbesserten Bremswirkung der Felgenbremsen haben auch Bremsbeläge und Felgen. «Die Beläge haben sich extrem weiterentwickelt», so Neuberger. Außerdem werden anstelle von Stahlfelgen meist Felgen aus Aluminium eingesetzt. «Gerade bei Nässe sind Alu-Felgen besser als Stahl», sagt Konrad Weymann vom Shimano-Importeur Paul Lange in Stuttgart. Problematisch ist die Kombination aus starker Bremse und Alu-Felge auf Dauer aber, weil die hohe Bremsleistung zum Verschleiß der Felgen führt - bis sie durchgeschliffen sind.
«Dieser Effekt ist noch nicht im Bewusstsein aller Fahrradfahrer», sagt Weymann. Denn während die Felge früher schlimmstenfalls bei rabiater Fahrt verbogen wurde, ist sie heute ein Verschleißteil. Die regelmäßige Kontrolle des Felgenzustands ist daher wichtig - auch um einen möglichen Unfall zu verhindern.
Frei von diesen Problemen sind die zunehmend an Fahrrädern zu findenden Scheibenbremsen. «Hier gibt es ebenfalls Anlagen mit Bowdenzug und solche mit hydraulischer Betätigung», sagt Weymann. Vor allem die hydraulischen Systeme gelten als Bremsen mit guten Leistungen auch bei nassem Wetter. Ein Problem bei den Scheibenbremsen ist, dass teilweise lästige Schleifgeräusche entstehen. Laut Konrad Weymann liegt die Ursache dafür aber nicht vorrangig in den Bremsanlagen selber, sondern an der Passgenauigkeit der Montagepunkte für die Bremsanlage am Rahmen. Kommt es zu einem Schleifen, muss der Händler unter Umständen an den Befestigungen nacharbeiten.
Darüber hinaus sind an den Fahrrädern weiterhin auch pflegeleichte geschlossene Systeme im Einsatz - von der Rücktrittbremse über Naben- bis zu Trommel- beziehungsweise Rollenbremsen. Sie alle haben den Vorteil, dass sie kaum witterungsanfällig sind und in der Regel eine hohe Lebensdauer besitzen. Hinzu kommt ein geringer Pflegeaufwand. Allerdings kann die Bremsleistung gerade am Vorderrad laut Andreas Oehler nicht mit guten Felgenbremsen mithalten. «Für ein Stadtrad sind sie aber eine gute Wahl.»
Während erwachsene Radfahrer unter verschiedenen Systemen wählen können, stehen bei Kinderrädern andere Dinge im Vordergrund: «Das erste Fahrrad sollte unbedingt eine Rücktrittbremse haben», rät Frank Hahn vom ADAC in München. Die jungen Fahranfänger können damit am besten umgehen. «Erst Kinder ab etwa zehn Jahren können dann auch mit Fahrrädern umgehen, die zwei Felgenbremsen haben.» Bevor es mit so einem Rad aber auf die Straße geht, sollte an einem sicheren Ort das Bremsen geübt werden. Wichtig ist auch, dass die Bremsen leichtgängig sind und die Griffe sich mit allen Fingern erreichen lassen, ohne dass der Daumen vom Lenkradgriff genommen werden muss.