1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Auto
  6. >
  7. Fahrrad: Fahrrad: Alte Liebe rostet nicht

Fahrrad Fahrrad: Alte Liebe rostet nicht

Von Thomas Kärst 03.07.2007, 09:46
Kein Fahrzeug für den Alltag - Hochräder werden von ihren Besitzern nur zu besonderen Anlässen gefahren wie hier bei dem Fahrradtreffen Velocipediade. (Foto: dpa)
Kein Fahrzeug für den Alltag - Hochräder werden von ihren Besitzern nur zu besonderen Anlässen gefahren wie hier bei dem Fahrradtreffen Velocipediade. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/Bad Brückenau/dpa. - Die Pedalen sind klobig, derScheinwerfer ist groß wie eine Kokosnusshälfte. Auf dem schwarzenRahmen prangt der Schriftzug «Alemannia». Das Herrenfahrrad, Baujahr1953, ist nur eines von rund 80 Rädern, die Axel Brune in seinemLaden «Klassische Fahrräder» in Hamburg-Eppendorf anbietet. Vor guteinem Jahr hat der Händler die Marktlücke entdeckt - und kommt damiteinem Trend entgegen: Bundesweit finden die Fahrrad-Oldtimer immermehr Liebhaber. Stolz vorgeführt werden die alten Räder jedes Jahrauf einer «Velocipediade», diesmal vom 17. bis 19. August in Hagen.

«Die Technik ist einfach faszinierend», sagt Kurt Niemeyer ausLengerich bei Münster, der Vorsitzende des Vereins «HistorischeFahrräder». Was beim Mountainbike als Errungenschaft gilt, habe esoft schon vor 80 Jahren gegeben, etwa gefederte Sattelstützen. VieleErfindungen seien vergessen worden - wie fast die ganze frühereZweiradindustrie in Deutschland. Rund 5000 Marken zählen Experten -«Anker, Rixe, Dürkopp, Wanderer» nennt Niemeyer dabei große Namen.

«Durch das Wirtschaftswunder und die Motorisierung wurde dasFahrrad in die Arme-Leute-Ecke gedrängt», erläutert Mona Buchmann vomDeutschen Fahrradmuseum in Bad Brückenau (Bayern). Fahrräder, aberauch Motorräder wurden als Alltagsverkehrsmittel vom Auto verdrängt.

Auch Willi war früher ein begeisterter Autoschrauber. Er hat sichaber schon vor mehr als 20 Jahren den alten Fahrrädern zugewandt. DerMitarbeiter von Axel Brune in Hamburg, der sich jedem nur mit seinemVornamen vorstellt, begutachtet auch nach Ladenschluss verstaubteSchätze, die seit Jahrzehnten in Schuppen schlummern. Viele Besitzerlassen ihre Räder auch restaurieren: «Zerlegen, sandstrahlen,lackieren - da ist man dann aber auch mit 1500 Euro dabei.»

So viel wie möglich original - das ist bei den meisten Liebhaberndie Devise. Doch Ersatzteile sind oft rar, der intensive Kontakt zuanderen Sammlern ist daher unerlässlich. Über das Internet oder inder Sammlerzeitschrift «Der Knochenschüttler» werden Tretlager,Karbid-Lampen und originalverpackte Fahrradketten angeboten. Inkleiner Auflage stellen manche Firmen auch Retro-Ersatzteile neu her.

Andere haben sich auf den Nachbau kompletter Oldies spezialisiert.So baut die «Weltrad-Manufactur» in Schönebeck (Sachsen-Anhalt)wieder Fahrräder der gleichnamigen Marke: Handgelötete Stahlrahmen,Ledersättel und eine verchromte Schutzblechfigur kopieren die Vorlagevon 1930, kombinieren sie aber mit moderner Fahrradtechnik. Auch dielegendäre Marke «Wanderer» aus Chemnitz wurde wiederbelebt, und dieMarke «Diamant» bietet ihren in der DDR verbreiteten Klassiker unterdem Motto «Flair und Chic der guten alten Zeit» an.

Private Sammler zeigen ihre Stücke nur selten auf der Straße. EineAusnahme bildet die «Velocipediade». Auf den Treffen werden die altenFahrräder auch im Wettbewerb getestet. 2006 gab es ein Rennen in elfKlassen: von «Laufmaschinen» bis «Rennräder Herren 1946 bis 1975».

Die technische Faszination ist die eine Seite - richtig spannendseien jedoch auch die Geschichten rund um alte Fahrräder, erzähltWilli in Hamburg-Eppendorf. Am rührendsten fand er die Reaktion eineralten Dame, als sie ihr restauriertes Rad aus den vierziger Jahren inEmpfang nahm: «Sie haben mir damit meine Jugend zurückgegeben.»