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Die versteckten Stars - Roller überholen Motorräder

Von Heiko Haupt 08.10.2008, 08:53

Köln/dpa. - Wer im Scheinwerferlicht steht, ist der Star - normalerweise jedenfalls. Die Motorradmesse Intermot in Köln (8. bis 12. Oktober) zeigt derzeit nämlich, dass es durchaus unterschiedliche Einschätzungen gibt, was wichtig ist.

Auf den größten Podesten und Bühnen steht einmal mehr das, was seit Jahrzehnten mit dem Thema Motorrad verbunden wird: fahrendes Gerät mit reichlich Hubraum und möglichst vielen Pferdestärken. Der Blick in den Straßenalltag und die Zulassungsstatistiken beweist allerdings, dass es sich bei den Supersportlern und monströsen Cruisern eigentlich um gefallene Helden von Gestern handelt. Die Erfolgsmodelle des Jahres 2008 und wohl auch der nahen Zukunft sind auf der Motorenseite meist eher schwachbrüstig und machen optisch auch nicht viel her: Es sind die Motorroller.

Nahezu jeder Motorradhändler in Deutschland kann eine traurige Geschichte erzählen: Die beginnt damit, dass ihm die starken Zweiräder in den 80er Jahren nahezu aus den Händen gerissen wurden - und endet damit, dass diese Zeiten lange vorbei sind. Seit Jahren gehen die Verkaufszahlen kontinuierlich zurück. Außerdem sind es vor allem die überlebenden Motorradfahrer der einstigen Boom-Jahre, die heute noch Nachschub kaufen - junge Käufer sind dagegen Mangelware.

Trotzdem schwelgt auch die Intermot des Jahres 2008 noch in den Träumen vom Big Bike, das in kürzester Zeit auf 100 beschleunigt und dessen Tachonadel bei 250 noch lange nicht stoppt. Bei Harley-Davidson gibt es einmal mehr zweizylindrige Hubraumgiganten mit neuem Lack, Yamaha lässt es sich nicht nehmen, das legendäre Beschleunigungsmonster VMax mit nunmehr 147 kW/200 PS neu aufzulegen. Und dass bei Kawasaki oder Honda filigrane Vierzylinder mit Irrsinns- Leistungen unter den aerodynamisch ausgefeilten Verkleidungen stecken, ist ebenso selbstverständlich wie die Tatsache, dass Suzuki den wieder einmal überarbeiteten Supersportler GSX-R 1000 feiert - natürlich mit Videos in wilder Schräglage auf der Rennstrecke.

Nur interessiert das immer weniger Menschen. Was in Sachen Zweirad wirklich gefragt ist, zeigen die Zahlen mehr als deutlich. Es sind die praktischen Motorroller, mit denen leidgeprüfte Autofahrer dem Preisschock an der Tankstelle entgehen wollen, und die sich zunehmend als Alternative für die Fortbewegung in der Stadt durchsetzen.

Nach Angaben des Industrie Verbands Motorrad (IVM) in Essen gab es bei den sogenannten Kraftrollern mit Motoren ab 125 Kubikzentimetern Hubraum allein in der Zeit von Januar bis August 2008 ein Plus von 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - in Zahlen waren es von Januar bis August 2007 genau 6969 neu zugelassene Roller, im gleichen Zeitraum 2008 bereits 10 230. Bei den Leichtkraftrollern bis 125 Kubikzentimetern ging es ebenfalls bergauf: Die Steigerung fiel mit 6,5 Prozent zwar geringer aus, die absoluten Zahlen sind jedoch noch weitaus höher - von 22 674 Verkäufen auf nun 24 142. Mit der Folge, dass der Verband laut Geschäftsführer Rainer Brendicke insgesamt ein Zulassungsplus von 0,46 Prozent bis Ende September melden kann.

«Diese Zuwächse haben mit Sicherheit auch damit zu tun, dass viele Leute von ihrem Zweitwagen auf einen Roller umsteigen», sagt Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) in Bad Soden am Taunus. Denn ein Roller spart nicht nur durch geringen Kraftstoffverbrauch. «Er ist auch in der Anschaffung oder der Versicherung in der Regel wesentlich günstiger als ein Auto.»

Die Hersteller bestätigen ebenfalls, dass es sich bei den Rollerkäufern nicht wie einst vor allem um junge Menschen handelt. «Bei den 125ern sind es generell eher ältere Kunden - zum Beispiel Autofahrer, die solche Fahrzeuge mit ihrem alten Führerschein noch fahren dürfen», sagt Aaron Lang von Honda Deutschland in Offenbach. IVM-Sprecher Achim Marten erklärt die Vorzüge solcher Gefährte: «Motorroller gibt es heute mit Hubräumen bis zu 800 Kubikzentimetern. Bei den stärkeren Modellen handelt es sich um Fahrzeuge, die ein Auto in nahezu allen Geschwindigkeitsbereichen ersetzen können.»

Als Trend gilt aber auch eine neue Kombination: Das zeigt der italienische Hersteller Piaggio in Form des Rollers MP3 LT. Er besitzt hinten ein Rad, vorne zwei - und darf mit dem Pkw- Führerschein gefahren werden, da er als zweispuriges Fahrzeug zugelassen ist. Auch Peugeot hat ein umweltfreundliches Mobilitätskonzept für den Stadtverkehr auf drei Rädern im Hinterkopf. Die Studie HYmotion3 compressor ist ein Zwitter aus Roller und Auto und soll sich durch geringe Verbrauchswerte auszeichnen: Ein hinten eingebauter 125 Kubikzentimeter großer Benzinmotor wird mit zwei Elektromotoren an den Vorderrädern kombiniert.

Für die weitere Zukunft wagen die Experten wegen des plötzlichen Nachfrage-Booms noch keine Prognosen. Allerdings ist schon abzusehen, dass sich die Hersteller dieser Zweiräder wesentlich beweglicher und zukunftsorientierter zeigen als jene, die auf der Zukunft des Motorrades als PS-Boliden beharren. So widmet sich die Intermot in einer Sonderschau den alternativen Antrieben. Und auch hier geht es vornehmlich um Roller: Auf dem Gelände ist eine Solartankstelle installiert, Besucher können Motorroller mit Elektroantrieb testen - denn solche Fahrzeuge gibt es tatsächlich auch heute schon serienmäßig. Nur im Scheinwerferlicht stehen immer noch andere.

6. Internationale Motorrad- und Rollermesse: www.intermot-cologne.de