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Die Geburt der Big Bikes: Kawasaki 900 Z1

Von Heiko Haupt 09.05.2008, 07:23

Hamburg/dpa. - Das Jahr 1972 war voller geschichtsträchtiger Ereignisse: Da gab es das Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt und einen Einbruch in Washington, der die Watergate-Affäre auslöste.

Science-Fiction-Liebhaber freuten sich über die erste Folge von «Raumschiff Enterprise» im Deutschen Fernsehen, und musikalisch bleibt «Akropolis Adieu» von Mireille Mathieu in zwiespältiger Erinnerung. Für Motorradfans ist 1972 aber vor allem das Jahr, in dem die Neuzeit des Zweiradfahrens begann: Denn mit der 900 Z1 von Kawasaki wurde jene Maschine präsentiert, die bis heute als Ursprung aller hubraumstarken Big Bikes gilt - und sich nebenbei noch den wenig löblichen Beinamen Frankensteins Tochter verdiente.

Bis in die 60er Jahre war das Motorrad vor allem eine europäische Sache: Man fuhr Marken wie BMW oder Triumph, nur die ganz Wilden gönnten sich eine Harley-Davidson. Vor allem ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts rückten aber auch die japanischen Marken ins Blickfeld. Wirklich ernst genommen wurden sie jedoch eigentlich erst ab jenem Moment, als die Firma Honda Ende 1968 in Tokio eine Neuheit präsentierte: Die CB 750 Four sollte das erste Großserienmotorrad mit einem in Fahrtrichtung montierten Vierzylinder-Motor werden.

Die Vorstellung der 750er war für die Konkurrenz von Kawasaki Fluch und Segen zugleich. Denn auch hier hatte man die Chancen eines solchen Viertakters in einem sportlichen Motorrad entdeckt - und sich bereits 1967 an die Entwicklung gemacht. Entsprechend schockiert war man beim Anblick der CB 750. Lange hielt der Schock allerdings nicht an. Wenn schon der Konkurrent mit einer 750er auf dem Markt war, warum sollte man dann die Messlatte nicht gleich noch ein paar Stufen höher legen? Die Idee: noch mehr Hubraum und noch mehr Leistung.

Als das Ergebnis der Entwicklungsarbeiten dann im Herbst 1972 auf der Internationalen Fahrrad- und Motorrad-Ausstellung (IFMA) in Köln erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, waren es die Mitarbeiter der übrigen Hersteller, denen der Schock ins Gesicht geschrieben war. Kawasaki hatte nicht weniger gemacht, als das Supermotorrad jener Zeit zu bauen. Die Kawasaki 900 Z1 stellte sich in nahezu jeder Hinsicht als konkurrenzlos dar.

900 Kubikzentimeter Hubraum, vier Zylinder, zwei obenliegende Nockenwellen - das war etwas, das man bestenfalls mal bei einem Exotenmodell gesehen hatte. Fast schon selbstverständlich, dass die «Kawa» mit 60 kW/82 PS die ursprüngliche CB 750 Four mit ihren 49 kW/67 PS weit in den Schatten stellte. Die Fahrleistungen können sich heute noch sehen lassen und sorgten damals für ungläubiges Staunen: In knapp vier Sekunden sollte die Z1 aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen, und auch bei Tempo 200 sollte noch nicht Schluss sein.

Optisch setzte das Motorrad ebenfalls Maßstäbe: Die elegante Linienführung mit dem tropfenförmigen Tank und dem als aerodynamische Spielerei hinter der Sitzbank angesetzten «Bürzel» wirkten stilbildend und beeinflussten Generationen von Motorrädern. Eine «Vier-in-Vier»-Auspuffanlage kannte man zwar schon von der Honda, doch auch sie wirkte bei der Z1 irgendwie eindrucksvoller. Unzählige Besitzer sollten später Nachmittage damit verbringen, die vier glänzenden Auspufftöpfe, aus denen die Abgase jeweils eines Zylinders entwichen, mit Unmengen von Chrompolitur auf Hochglanz zu halten.

Aber die Kawasaki 900 Z 1 war nicht perfekt - tatsächlich war sie alles andere als das. Zwar hielt der anfangs misstrauisch beäugte Hochleistungsmotor wesentlich länger als gedacht, galt sogar als das am wenigsten anfällige Teil der Maschine. Und er sorgte dafür, dass sich die Tempoversprechen auch auf der Straße umsetzen ließen. Jedenfalls wenn der Fahrer zu den Mutigen gehörte: Denn serienmäßig besaß die Kawasaki ein Fahrwerk, das manchen Biker blass vor Angst oder schweißüberströmt aus dem Sattel steigen ließ.

Die Kombination aus brutaler Leistung und eher wackeligem Fahrwerk war es auch, die der Z1 einen zusätzlichen Namen verschaffte: In der Zeitschrift «Das Motorrad» fasste man die zweifelhaften Manieren der Z1 zusammen, indem man sie als Frankensteins Tochter bezeichnete - ein Name, der sich schnell im Sprachgebrauch etablieren sollte.

Natürlich kam die Kritik nach der Markteinführung im Jahr 1973 auch bei Kawasaki an - Reaktionen ließen jedoch noch etwas auf sich warten. In den folgenden Jahren gab es nur geringe Änderungen, und die waren in erster Linie optische Retuschen. Ab 1976 dann hieß die Z1 offiziell Z 900 - und sie bekam endlich stärkere Rahmenrohre, die fortan für ein wesentlich kommoderes Fahrverhalten sorgten. Und es ging weiter: Der Hubraum des Motors wurde erhöht, die Z 900 wuchs zur Z 1000 heran. Dass diese späteren Modelle mehr Motorleistung hatten und sich ungefährlicher um schnelle Kurven zirkeln ließen, freute seinerzeit sicher die Besitzer - doch das wirklich erste aller Big Bikes, das ist und bleibt einzig und allein die Z1.

INFO: Legendäre Motorräder der 70er und 80er

Es war einmal - mit diesen Worten fangen nicht nur Märchen an. Auch Motorrad-Liebhaber schwelgen gerne in Erinnerungen an die 70er und 80er Jahre - und an die heute schon legendären Modelle jener Zeit. Denn damals war das Motorrad noch kein Freizeitspaß für betuchte Herren mit grau-melierten Haaren. Das Motorrad war ein Ausdruck der Unabhängigkeit, stand für Freiheit und eine Prise Abenteuer. Vor allem aber war Motorradfahren eine «junge» Sache. Fast schon selbstverständlich wurde neben dem Auto- auch der Motorradführerschein gemacht, um dann bald auf einem mehr oder minder stark motorisierten Zweirad vorfahren zu können.

Aus heutiger Sicht sind viele der damals gebauten Motorräder technisch fast schon Saurier. Manches Fahrwerk taugte vor allem dazu, dem Fahrer Angst einzujagen. Und um die Haltbarkeit der Motoren war es auch nicht immer zum Besten bestellt. Doch während die Hersteller heute um jeden Neukunden betteln müssen, rannten ihnen damals die gerade Volljährigen die Bude ein. Grund genug also, um die Erinnerung an die Goldene Zeit des Motorrades wachzuhalten. Die Serie «Motorrad-Legenden» erzählt die Geschichten einiger der bekanntesten Modelle aus den 70er und 80er Jahren - bärenstarke «Big Bikes» gehören ebenso dazu wie urwüchsige «Eintöpfe» oder auch jenes Modell, das bis heute noch als «Güllepumpe» bekannt ist.