Fahrzeug im Retro-Design Der Microlino als charmanter Champion für die City
1,50 Meter schmal, 2,50 Meter kurz, 90 km/h lahm und nach 200 Kilometern leer. Für über 20 000 Euro erscheint der Microlino überteuert. Bis man sich in die Stadt wagt.
Berlin - Gigantische Geländewagen mit den Fahrleistungen von Supersportlern, Limousinen wie Raumschiffe und eine Schwemme familienfreundlicher SUV - die Elektromobilität treibt viele Blüten.
Und einer der vielleicht schönsten davon ist der Microlino. Denn sympathisch wie kaum ein anderer, sucht der Winzling neue Wege in die Stadt und greift dafür die alten Ideen der BMW Isetta auf. Seit bald zehn Jahren in Arbeit, steht er quasi als Oldtimer ohne Benzingeruch seit diesem Sommer zu Preisen ab 22 690 Euro im Handel.
Knutschkugel mit Kühlschranktür
Genau wie das Original ist der Microlino ein winziger Zweisitzer von 2,50 mal 1,50 Metern, den man durch eine wie beim Kühlschrank vorne angeschlagene Tür fast aufrecht betritt. Danach klettert man hinter das fest stehende Lenkrad und lässt sich auf die Bank fallen, zieht die Tür zu und startet elektrisch auf eine charmante Zeitreise mit gleich zwei Zielen.
Denn während einen die Erinnerung zurückversetzt in die 1950er und die Jahre des Wirtschaftswunders, fühlt sich der E-Antrieb noch immer ein bisschen nach Zukunft an.
Aus Liebe zum Nächsten
Alleine geht es dabei überraschend geräumig zu. Und man erliegt schnell dem Charme eines maximal reduzierten Cockpits. Es gibt nur eine kleine Touchleiste für Klima, Licht und Co, eine Handyhalterung und einen Bluetooth-Lautsprecher.
Das gilt erst recht, wenn man mit einem Handgriff das Faltdach öffnet und der Microlino zum Micro-Cabrio wird. Und hinter der Bank bleibt überraschend viel Platz fürs Gepäck. Erst zu zweit wird es entweder ganz besonders nett oder ziemlich nervig. Denn so nah, wie man sich hier kommt, muss man sich schon besonders gerne haben.
Bitte nicht verwechseln - es ist kein Auto
Spätestens wenn der Grundpreis mit einer kleineren Batterie später unter 20 000 Euro fällt, haben die Schweizer zwar den Ruf nach erschwinglicher Elektromobilität erhöht. Doch darf man den Microlino nicht mit einem Auto verwechseln und so weder mit einem klassischen Kleinwagen vergleichen noch mit einem konventionellen Stromer.
Stattdessen muss ihn neben anderen Leichtkraftfahrzeugen wie dem Opel Rocks-e sehen oder gleich dem Original - dann stört man sich auch nicht an der rudimentären Sicherheitsausstattung. Zu der zählen weder Airbags noch ESP. Neben dem Format ist es vor allem der Antrieb, der den Microlino zu einem Sonderling stempelt. Denn der wie früher im Heck montierte Motor hat lächerliche 12,5 kW/17 PS.
Aber: Ohne Akku wiegt er keine 500 Kilo. So kommt man damit trotzdem flott voran, zumindest in der Stadt. Von 0 auf Tempo 50 beschleunigt der Winzling wie ein Wirbelwind in gerade mal fünf Sekunden. Und weil mit 90 Sachen Schluss ist, die Lenkung mit zunehmendem Tempo mehr Mut braucht und das Fahrwerk eher rustikal über den Asphalt rumpelt, ist der Spaß jenseits der Stadt ohnehin schnell vorbei.
Auch die Reichweite ist bescheiden: Standard ist ein Akku mit 10,5 kWh für 177 Kilometer. Alternativ plant Microlino mit 6 kWh und 91 Kilometern oder 14 kWh und 231 Kilometern. Geladen wird aber nur mit 2,6 kW, weshalb der Boxenstopp bis zu vier Stunden dauert.
Fürs Herz statt fürs Hirn
Klein, schwach, spartanisch und langsam - nüchtern betrachtet ist der Microlino also hoffnungslos unpraktisch und maßlos überteuert. Aber das gilt - aus anderen Gründen natürlich - für einen Porsche auch.
Und genau wie beim Porsche ist es das Herz und nicht das Hirn, das den Ausschlag gibt. Und das hat man an den Microlino schneller verloren als bei jedem anderen „Auto“ - das Original eingeschlossen.
Denn der Winzling ist ungeheuer charmant, und in der Stadt gibt es kaum ein besseres Fahrzeug: Im dichten Verkehr passt man die schmalste Lücke, keine Kurve ist zu eng und beim Parken werden selbst Smart-Fahrer blass vor Neid - für den Microlino ist immer irgendwo Platz.
König der Herzen
Je länger man mit dem Microlino unterwegs ist und je öfter man ihn irgendwo abstellt und aus dem Auto klettert, desto häufiger erlebt man noch einen weiteren Vorteil des Winzlings:
Er ist nicht nur der Champion in der City, sondern auch der König der Herzen. Während die Insassen anderer PS-Spielzeuge mittlerweile meist aus- statt angelacht werden, schwimmt der Microlino auf einer Welle der Sympathie und erntet eine Sympathiebekundung nach der anderen.
Fazit: Der perfekte Drittwagen
Nein, als Ersatz fürs Auto taugt der Microlino natürlich nicht. Aber wenn es um urbane Mobilität geht, dann ist der Zweisitzer erste Wahl. Und mit seinem unbezwingbaren Charme sticht er jedes andere Liebhaber-Auto aus. Natürlich sind aktuell 22 690 Euro viel Geld für so wenig Fahrzeug. Aber es gibt PS-Spielzeuge und Drittwagen, die sind um ein vielfaches teurer, machen weniger Spaß und ernten nicht einmal halb so viel liebevolles Lächeln.
Maße und Gewichte | |
Länge: | 2519 mm |
Breite: | 1473 mm |
Höhe: | 1501 mm |
Radstand: | 1566 mm |
Leergewicht: | 435 kg (ohne Batterie) |
Zuladung: | k.A. |
Kofferraumvolumen: | 230 Liter |
Fahrdaten: | |
Höchstgeschwindigkeit: | 90 km/h |
Beschleunigung 0-50 km/h: | 5,0 s |
Batteriekapazität: | 10,5 kWh |
Durchschnittsverbrauch: | 5,9-6,6 kWh/100 km |
Reichweite: | 177 km |
CO2-Emission: | 0 g/km |
Kraftstoff: | Strom |
Schadstoffklasse: | k.A. |
Energieeffizienzklasse: | A+ |
Kosten: | |
Basispreis des Microliono: | ca. 18 000 Euro |
Preis des Microlino Pioneer Edition (10,5 kWh): | 22 690 Euro |
Typklassen: | k.A. |
Kfz-Steuer: | 0 Euro/Jahr |
Wichtige Serienausstattung: | |
Sicherheit: | Gurte |
Komfort: | Klimaanlage, Sonnendach, Bluetooth-Lautsprecher |