1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Auto
  6. >
  7. Der dreirädrige Tempo-Kleintransporter wird 80

Der dreirädrige Tempo-Kleintransporter wird 80

Von Heiko Haupt 26.09.2008, 08:00

Hamburg/dpa. - Tempolimit oder Tempo-Taschentuch: Der Begriff Tempo ist im alltäglichen Sprachgebrauch für unterschiedlichste Einsätze geeignet. Ein echter Tempo ist aber selten gemeint.

Denn obwohl die Dreiräder der Marke Tempo über Jahrzehnte zum Alltag gehörten, ist die Erinnerung daran nur noch blass. Schließlich ist es schon gut 50 Jahre her, seit die letzten Tempos gebaut wurden. Und exakt 80 Jahre sind vergangen, seit die einstige Erfolgsgeschichte im kleinen Rahmen ihren Anfang nahm.

Drei Räder für ein Auto - das war schon immer eine eigenartige Sache. Auch als die Geschichte der Marke Tempo begann, ruhten die Karosserien der «echten» Autos auf vier Felgen samt Reifen. Dass man ein Rad wegließ, hatte aber einen guten Grund: Als die Firma Vidal & Sohn sich ans Werk machte, hatte der Gesetzgeber gerade beschlossen, dass für Fahrzeuge mit weniger als vier Rädern und Motoren mit weniger als 200 Kubikzentimetern Hubraum keine Steuern zu zahlen waren und der Fahrer nicht einmal einen Führerschein brauchte.

Für findige Geschäftsleute ergab sich dadurch eine neue Einnahme-Möglichkeit. Das bemerkte auch Max Vidal: 1928 übernahm er mit seinem Sohn Oscar den Alleinvertrieb für die Dreiräder der Marke «Tempo Eilwagen» aus Hamburg. Tempo kam damals den Überlieferungen zufolge mehr schlecht als recht über die Runden. Die Ansichten über eine erfolgreiche Strategie sahen bei den Vidals ganz anders aus als bei den ursprünglichen Geschäftspartnern. Und so bauten Vidal & Sohn dann schon von 1929 an die Fahrzeuge in Eigenregie in einem neuen Werk.

Was zunächst auf die Straßen kam, war weit entfernt von heutigen Erwartungen von einem Auto. Am besten lassen sich Fahrzeuge wie der T 6 vorstellen, wenn man im Geiste die hintere Hälfte eine Motorrades nimmt und vorne einen Anhänger montiert: Der Fahrer saß quasi auf einem Sattel über dem Hinterrad, während sich vor ihm die Ladefläche ausbreitete, die auf einer Achse mit zwei Rädern rollte. Für die Kundschaft war das ein großer Schritt nach vorn: Gerade kleine Krämer und Händler benutzten oft noch Karren oder Pferdefuhrwerke.

Ihrem späteren Erscheinungsbild näherten sich die Tempo-Fahrzeuge 1933. In diesem Jahr präsentierte das Unternehmen das Modell Front 6 - und dachte dabei nicht an Kriegseinsätze. Dahinter verbarg sich eine einfache, aber geniale Idee: Im Grunde wurde nur das bisherige Prinzip umgedreht. Bildete bislang der Teil des Gefährts, an dem nur ein Rad rollte, das Heck, war es nun entgegengesetzt: Das Einzelrad rollte vorne, die Achse mit den beiden Rädern bildete das Heck.

Zudem wurde nun das Vorderrad selbst angetrieben: von einem Motor, der quasi an der Rad-Befestigung hing und wegen der notwendigen Lenkbarkeit des Rades beweglich aufgehängt wurde. Dahinter saß der Fahrer. Als Schutz vor Wind und Wetter gab es eine Kabine. Die Ladung hatte dahinter auf der Ladefläche oberhalb der Achse reichlich Platz.

Der simple Aufbau hatte einen unschlagbaren Vorteil: Weil sich zwischen Vorderrad und Hinterachse im Grunde nur ein stabiles Rahmenrohr befand, konnte darauf in Sachen Aufbau fast alles verwirklicht werden. Bilder und Prospekte zeigen die Dreiräder mit verschiedensten Pritschen oder Kastenaufbauten. Dem Front 6 folgten Modelle wie der D 200 mit 6 oder der D 400 mit kräftigen 12 zweitaktenden PS - genügend Kraft für bis zu 750 Kilo Nutzlast.

Bald wurde das Werk zu eng, und man zog auf ein größeres Gelände um. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen eine bei der Konkurrenz gängige Idee übernommen und sich an eine Neukonstruktion gemacht: Der V 600 war der erste Tempo mit vier Rädern. 1935 wurde das 10 000. Fahrzeug gefeiert, Tempo Nummer 25 000 wurde 1937 montiert. Bis dahin hatte es wieder Neuerungen gegeben: Die Aufbauten entstanden nicht mehr nur aus Holz und Kunstleder, man verbaute auch Metallkabinen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schien es so, als könne Tempo an die Erfolgsgeschichte anknüpfen. Mit dem Hanseat kam 1948 eine noch einmal überarbeitete Version des Dreirad-Prinzips auf den Markt, ein weiteres neues Modell hieß Boy. In den 50ern zeigte sich aber, dass Deutschland mehr wollte, vor allem vier Räder. Nachdem die Produktion des vierrädrigen A 600 vor dem Krieg eingestellt worden war, wurde nun die alte Idee in die neue Zeit übersetzt. Ergebnis war der Matador, in dem ein VW-Motor den Antrieb besorgte. Später folgte der Wiking. Doch die Zeit der Dreiräder war in Deutschland vorüber, die Produktion endete 1955.

Auch für Tempo an sich begann bald das letzte Kapitel: Der kleine Hersteller sah sich immer stärker werdender Konkurrenz der Konzerne gegenüber. Schon 1955 wurden daher 50 Prozent der Anteile an Hanomag verkauft. Die andere Hälfte ging 1965 an das nun unter Rheinstahl-Hanomag firmierende Unternehmen. Das Dreirad-Prinzip sollte aber noch lange überleben - weit, weit weg: Die Pläne und Produktionsanlagen waren nach Einstellung der Produktion nach Indien verkauft worden, wo bis zum Jahr 2000 erfolgreich weiterproduziert wurde.

Weitere Infos: www.museum-der-arbeit.de

Das Museum der Arbeit in Hamburg zeigt vom 10. Oktober 2008 bis zum 12. April 2009 die Ausstellung «Tempo - Auf 3 Rädern durch die Stadt». Zu sehen sind originale Fahrzeuge aus verschiedenen Jahrzehnten, zum Teil auch in nachgestellten Szenarien wie bei der Belieferung eines Kaufmannsladens. Dazu verdeutlichen Bilder und Dokumente die Entwicklung der Marke. Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen finden sich im Internet.