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Autotest Corvette ZR1 und Mustang GTD – Amerikas neue Kraftpakete

Sie spielen in zwei Ligen, werden aber oft in einem Atemzug genannt - und geben nun kräftig Gas. Ford Mustang GTD und Chevrolet Corvette ZR1 sind die stärksten ihrer Art, und faszinieren auch bei uns.

Von Thomas Geiger, dpa 30.09.2025, 05:01
Sportmaschine im natürlichen Habitat: Das wahre Potenzial der Corvette ZR1 lässt sich sicher(lich) nur auf der Rennstrecke ausschöpfen.
Sportmaschine im natürlichen Habitat: Das wahre Potenzial der Corvette ZR1 lässt sich sicher(lich) nur auf der Rennstrecke ausschöpfen. Richard Prince/Chevrolet/dpa-tmn

Berlin -  Es sind keine neuen Elektroautos, die gerade in Detroit die Charts stürmen. Zwei waschechte Muscle-Cars machen von Motown aus Furore: Strecke frei für Chevrolet Corvette ZR1 und Ford Mustang GTD.

Eigentlich fahren die beiden Konkurrenten nicht in der gleichen Liga. Und eigentlich war Chevrolets Antwort auf den Mustang jahrzehntelang der Camaro. Doch trotzdem wurden die beiden Aushängeschilder meist in einem Atemzug genannt. 

In ihren neuen Topversionen sind sie nicht nur zum ersten Mal tatsächlich halbwegs gleichauf. Corvette und Mustang sind nun auch vielen europäischen Sportwagen überlegen. Zumindest auf der linken Spur und auf der Rennstrecke ist Amerika damit mit tatsächlich wieder Great Again.

Als ZR1 wird die Corvette zum Hypercar und Bugatti-Gegner

Die Krone sichert sich dabei einmal mehr die Corvette, die traditionell eine Klasse über dem Mustang fährt. Die kommt schon in der 103.000 Euro teuren Basisversion Stingray vergleichsweise nahe an europäische Vollgas-Ikonen wie den Porsche 911 heran.

Wer den seit dem letzten Generationswechsel erstmals mit Mittelmotor gesegneten Sportler in den USA für 178.175 US-Dollar als neuen ZR1 bestellt, steigt damit plötzlich in die Liga der Hypercars auf. Auf dem Papier zumindest sticht der Ami selbst die Topmodelle von Ferrari oder Lamborghini und sogar den seligen Bugatti Veyron aus.

Kraftakt nach alter Väter Sitte

Möglich macht das der stärkste Achtzylinder, der bislang ab Werk in einem US-Auto eingebaut wurde: Nur mit Hilfe zweier Turbolader – ebenfalls eine Premiere in über 70 Jahren Corvette - und ganz ohne elektrische Unterstützung schüttelt das Triebwerk so 782 kW/1.064 PS aus seinen 5,5 Litern Hubraum und reißt mit bis zu 1.123 Nm an den wuchtigen Walzen der Hinterachse. Allrad, Hinterachslenkung oder gar Hybridantrieb? Das scheint nur was für die sportlichen Streber aus der Alten Welt.

Bloß nicht die Beherrschung verlieren

Dazu gibt es einen aerodynamischen Feinschliff, der die Corvette zum ultimativen Tiefflieger macht und alle Blicke fängt. Aber der riesige Flügel am Heck oder die Nüstern im Bug dienen mehr der Eile als der Eitelkeit. Vorn strömt Kühlluft ein und hinten gibt es bis zu 500 Kilo Abtrieb, mit dem die Corvette am Asphalt klebt als kämen die Reifen von Pattex und nicht von Pirelli & Co.

Entsprechend gut ist der amerikanische Athlet zu beherrschen. Auf der Geraden explodiert er förmlich im Vortrieb, sprintet aus dem Stand in 2,3 Sekunden auf Tempo 100. Und dabei ist es egal, ob jetzt bei „über 345 km/h“ Schluss ist, wie es Datenblatt steht, oder erst bei den 375 km/h, die GM-Chef Mark Reuss auf einer Rekordfahrt im norddeutschen Papenburg geschafft hat - immer ist die Corvette schneller als die US-Polizei erlaubt.

Und in Kurven wird sie zum Wirbelwind, dem es gar nicht verwinkelt genug sein kann, so leidenschaftlich schneidet sie durch die Radien und rasiert den Asphalt. Da wird der gut alte Dampfhammer zum Präzisionswerkzeug.

„Yeahaw“ im Mustang

Das nehmen auch die Kollegen von Ford für den Mustang GTD in Anspruch, der das Buchstabenkürzel übrigens nicht von Wolfsburger Dieseln entlehnt hat, sondern als „Gran Tourismo Daytona“ auf das legendäre 24-Stunden-Rennen anspielt. Denn die Zeiten, in denen der Mustang ein kaum kontrollierbares Wildpferd war, das der Fahrer wie ein Cowboy erst brechen und bezwingen musste, sind lange vorbei. Selbst wenn man sie bei Ford noch immer nichts vom Allradantrieb wissen will und den Motor, anders als Chevrolet, bei der Corvette weiterhin im Bug verbauen.

Der „stärkste Mustang aller Zeiten“

Wo bislang mit 333 kW/453 PS und 5,0 Litern Hubraum der Mustang Dark Horse die Spitze markiert hat, bollert jetzt ein 5,2 Liter großer V8. Dem entlockt ein Kompressor unter wütendem Kreischen bis zu 609 kW/828 PS und über 900 Nm. Alles ist auf Performance getrimmt: vom semi-aktiven Fahrwerk bis zum  ins Heck verlegten Doppelkupplungsgetriebe. Und natürlich die Carbon-Karosse mit gewaltigen Nüstern in der Motorhaube und riesigen Rippen in den Kotflügeln bis hin zum Heckflügel. Letzterer würde wohl übrigens jeden Barkeeper im Western-Saloon glücklich machen.

Der Vortrieb hier ist nicht minder imposant. Wenn sich der Fuß ans Bodenblech heftet und sich die 345er Cup-R-Reifen mit dem Asphalt verzahnen, vergehen kaum mehr als drei Sekunden bis zur 100 km/h-Marke. Und wer das Pedal dann nicht lupft, sondern bei 200 km/h auf der Autobahn noch einmal runterschaltet, der spürt einen zweiten Wind. Ruckzuck hat man 300 km/h auf dem Tacho und kann gar nicht glauben, dass bei 325 Sachen schon Schluss sein soll.

Abschied vom Rodeo

Dabei verlangt der Mustang gar nicht mal nach kurzen Zügeln. Man kann ihn gut an der langen Leine laufen lassen. Erst wenn man in den Sport- oder gar in den Race-Modus wechselt und vom Highway auf den Byway, dann muss man den Kraftmeier ein wenig enger an die Kandare nehmen. Und dann auch ein bisschen mehr arbeiten, um auf der Ideallinie zu bleiben. Aber auch das ist kein Vergleich zu früher, als der Rennfahrer im Mustang zum Rodeo-Reiter wurde.

Die letzten werden die ersten sein – zumindest beim Export

Egal, ob Corvette oder Mustang - zumindest als ZR1 und als GTD haben sie einen ganz eigenen Charakter. Noch immer ein bisschen hemdsärmeliger als die europäische Elite, sind sie trotzdem zu seriösen Sportwagen gereift. Präzise, kontrollierbar und vor allem vorhersehbar bringen sie ihre Kraft auf die Straße und prügeln die Konkurrenz nicht einfach mit dem Vorschlaghammer nieder.

Wie gereift und fast schon europäisch die beiden sind, haben sie ausgerechnet in Deutschland bewiesen – und die Nordschleife des Nürburgrings in Rekordzeit umrundet. Erst der Mustang in 6:57 Minuten und ein paar Wochen später die Corvette. Sie stieg mit 6:51 Minuten zum bislang schnellsten Serienauto aus den USA auf. Trotzdem allerdings hat der Ford bei uns die Nase vorn. Denn während die Corvette bislang nur in den USA verkauft wird, kommen zumindest ein paar Dutzend Mustang GTD ab dem nächsten Frühjahr auch nach Deutschland.

Im Innenraum hört die Liebe auf

Neben dem eiligen Anspruch haben die beiden Boliden aber noch etwas gemein: So konsequent und kompromisslos die Ingenieure an Antrieb, Aufbau und Abstimmung gearbeitet haben, so wenig tut sich am Ambiente. Sowohl Ford als auch Chevrolet muten den Kunden mehr billiges Plastik und lieblose Schalterlandschaften zu, als es so ikonische Autos verdient haben.

Erst recht, wenn der Corvette-Preis beim 2,5-fachen (zum US-Preis der Basis) liegt und sich der Mustang-Preis versechsfacht. Da hätte es auch für ein paar echte Carbon-Konsolen reichen können und das Titan aus alten Kampffliegern dürfte - wie bei Ford - nicht nochmal Aufpreis kosten. Nur ein paar tiefer ausgeschnittene und trotzdem vergleichsweise schwere, dafür aber bequeme Sessel, neue Grafiken fürs digitale Cockpit und bunte Gurte sind zu wenig.

Immerhin gibt's da wie dort ein schönes Schaufenster zur Technik: Bei der Corvette liegt der Motor in Heck hinter einer Scheibe, die das „Split Window“ der legendären Corvette Stingray aus den 1960er jahren zitiert. Und beim Mustang gibt es anstelle der Rückbank ein Fenster im Boden, durch das man das eloxierte Dämpfer- und Federwerk der Hinterachse sieht.

Fazit: Motown spielt weiter seine alten Hits

Schön möglich, dass der Rest der Welt nach vorn schaut und andere Probleme wälzt als die Rundenzeiten auf der Nordschleife. Aber Corvette und Mustang machen sich gar nicht erst die Mühe, auch nur irgendwie nachhaltig oder politisch korrekt zu sein. 

Vielleicht gerade deswegen sind ZR1 und GTD die faszinierendsten, auf jeden Fall aber leidenschaftlichsten Autos, die Detroit derzeit zu bieten hat. Motown spielt damit weiter seine alten Hits, doch haben die noch immer einen klasse Klang. Und das kann man in diesem Fall sogar wörtlich nehmen.

Datenblatt: Chevrolet Corvette ZR1 | Ford Mustang GTD 

Motor und Antrieb:
V8-Turbo-Benziner  | V8-Benziner mit Kompressor
Hubraum:
5.463 ccm | 5.163 ccm
Max. Leistung:
782 kW/1.064 PS  | 609 kW/828 PS
Max. Drehmoment:
1.123 Nm   | > 900 Nm 
Antrieb:
Heckantrieb  
Getriebe:
Achtgang-Automatikgetriebe | 8 Gang-Doppelkupplungsgetriebe 

 

Maße und Gewichte
 
Länge:
4.742 mm | 4.917 mm
Breite:
2.025 mm | 2.075 mm
Höhe:
1.234 mm | 1.410 mm
Radstand:
2.718 mm | 2.720 mm
Leergewicht:
1.665 kg | 1.989 kg
Zuladung:
k.A.
Kofferraumvolumen:
258 Liter| 0 Liter

 

Fahrdaten:
 
Höchstgeschwindigkeit:
> 345 km/h | 325 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:
2,3 s | ca. 3,5 s
Durchschnittsverbrauch:
k.A. Liter/100 km |
Reichweite:
k.A. km |
CO2-Emission:
k.A. |
Kraftstoff:
Super 
Schadstoffklasse:
k.A. |
Energieeffizienzklasse:
k.A. |

 

Kosten:
 
Basispreis der Chevrolet Corvette (in Europa):  | 
Basispreis des Ford Mustang: 
103.000 Euro  | 
60.400 Euro
Grundpreis der Chevrolet Corvette ZR1 (in USA):  | 
Grundpreis des Ford Mustang GTD: 
178.175 US-Dollar | 
359.900 Euro
Typklassen:
k.A. |
Kfz-Steuer:
k.A. |

 

Wichtige Serienausstattung:
 
Sicherheit:
Vier Airbags, LED-Scheinwerfer | Vier Airbags, LED-Scheinwerfer, Brembo-Keramik-Bremsen
Komfort:
Tempomat, digitale Instrumente, Targa-Dach | Tempomat, digitale Instrumente, Klimaautomatik