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«Contidrom» wird 40: Mit 200 Sachen über die Teststrecke

Von Heiko Lossie 21.08.2007, 06:56

Jeversen/dpa. - Die wuchtige Limousine brettert über die ovale Teststrecke. Am Kurveneingang neigt sie sich auf der immer schräger werdenden Spur zur Fahrerseite. Fliehkräfte pressen das Auto auf die Bahn und die Oberkörper der Insassen aus den Lehnen.

Kurz vor dem Scheitelpunkt der Kurve rauscht die Karosse über knapp 60 Grad seitliches Gefälle. «Jetzt kann man sogar das Lenkrad loslassen», sagt Joachim Bremer und nimmt tatsächlich die Hände vom Steuer. Die Tachonadel erklimmt die magische Marke der 200 Stundenkilometer. Jetzt ein Reifenplatzer ­ und der Wagen würde im hohen Bogen über das oben offene Oval in den Wald bei Jeversen im Landkreis Celle segeln.

Das ist jedoch seit 40 Jahren im «Contidrom», der Teststrecke des hannoverschen Reifenherstellers Continental, noch nie passiert. «Eine Million PKW- und 100 000 LKW-Reifen haben wir hier aber schon zerschlissen», berichtet Betriebsleiter Bremer über die Arbeit auf dem Testgelände, die 1967 begann. Eine Million Autoreifen in vier Jahrzehnten ­ das sind rund 70 Reifen pro Tag.

Bremers Demonstration ist noch nicht vorbei. Er steuert auf den sogenannten Trockenhandling-Kurs. Dort muss sich die Griffigkeit der Pneus in Extremsituationen beweisen. Bremer nimmt eine lang gezogene Rechtskurve mit Tempo 140. Aus dem Fiepen der Reifen wird ein durchdringendes Pfeifen. «Mit einem Porsche», sagt Bremer, «kriegen wir die Reifen beim Test auf eine Temperatur von 160 Grad.»

Vorbei an der Messanlage für Vollbremsungen fährt Cheftester Bremer zu einem Rondell. Mit Tempo 80 zirkelt er den Wagen um den Kreisel, bis er in eine 6 Millimeter tiefe Pfütze steuert. Der Wagen verliert die Bodenhaftung, schwimmt auf und rutscht ­ Aquaplaning. «Die Auflagefläche aller vier Reifen», sagt Bremer, «ist zusammen nur so groß wie vier Postkarten.»

Mit den auf der Teststrecke erhaltenen Messwerten passen die Entwickler die Beschaffenheit der Reifen immer wieder an. Das Einmaleins der Pneus lautet: Profilbeschaffenheit, Auflagefläche, Lebenserwartung und Geräuschpegel. Jede Feinjustierung am Gummi hat Einfluss auf alle übrigen Eigenschaften der Reifen. Die im Test zerschlissenen Modelle werden übrigens in der Zementindustrie komplett verheizt. Ihr Brennwert sei besser als der von Kohle, erläutert Bremer.

«Reifen testet Continental jedes Jahr auf sechs Millionen Kilometern», sagt Konzernsprecher Klaus Engelhart. 90 Prozent davon spielten sich in Langzeittests auf der Straße ab. Seine Anfänge nähme der Großteil aller Reifen im Contidrom. Drei bis vier Jahre betrage der durchschnittliche Entwicklungszeitraum eines neuen Modells.

«Früher haben wir uns Testreifen per Hand geschnitzt», erinnert sich Contidrom-Betriebsleiter Bremer. Heute schneiden Roboter die ersten Ideen für den Profilverlauf in die Reifen. «Erst, wenn wir uns sicher sind, wird eine Form bestellt, mit der die Reifen gegossen werden.» Erst dann wird richtig Gummi gegeben - bei Tests in Serie.

Besondere Abstimmung benötige die direkte Zusammenarbeit mit den Autoherstellern, die ihre Neuwagen auf Continental-Reifen vom Band laufen lassen. Bei dieser Erstausrüstung stellen sich Bremer und seine 60 Kollegen im Contidrom auf individuelle Wünsche ein ­ vor allem bei Komfort und Geräuschpegel. Eine enge Kooperation gibt es dabei mit allen großen Fahrzeugherstellen, so auch mit Volkswagen. «Auch der VW-Tiguan wird unsere Reifen bekommen», verrät Sprecher Engelhart über das neue VW-Modell, das 2008 auf den Markt kommt.

Seit einigen Jahren testet Continental im Contidrom nicht nur Reifen, sondern auch die eigene Fahrsicherheitstechnik wie die Elektronische Stabilitätskontrolle (ESP). Das Gelände sei oft mehr als ausgelastet - und die nächste Million Reifen wartet schon.

Reifenhersteller Continental: www.continental.de

Bundesverband Reifenhandel: www.bundesverband-reifenhandel.de