Cabrio-Krise Cabrio-Krise: "Oben ohne" fahren im Ausland unbeliebt

Halle (Saale)/DMN/DPA - Der Oktober lockt diese Tage mancherorts noch einmal mit Cabrio-Wetter. Fahren „oben ohne“ ist hierzulande seit Jahren ein ungebrochener Trend. Anfang 2013 waren in Deutschland knapp 1,9 Millionen Cabrios unterwegs, und im laufenden Jahr kamen bislang weitere 70.000 neu hinzu.
Global gesehen darbt die Branche eher. Nach dem starken Einbruch in den vergangenen Jahren hat sich der Markt 2013 zwar berappelt. „Dennoch liegt das Marktniveau deutlich unter den Prognosen der Analysten“, sagt Andreas Radics vom Münchner Beratungsunternehmen Berylls Strategy Advisors, das auf die Autoindustrie spezialisiert ist. „Insgesamt muss im Cabrio-Segment auch mittelfristig mit einem deutlich abgeflachten Volumen gerechnet werden“, sagt er voraus.
Wo werden die meisten Cabrios verkauft?
Während sich andere Fahrzeugsegmente vor allem dank des Wachstums in China schneller erholten, werden Cabrios noch immer vorwiegend in Deutschland, Großbritannien und den USA verkauft. Und dort ist lange nicht so viel Luft nach oben wie in den vier großen Wachstumsregionen Brasilien, Russland, Indien und China, kurz BRIC-Staaten genannt.
Hinzu kommt der Trend zu den Geländelimousinen (SUV). Er habe das Cabrio-Segment zwar weniger hart getroffen als oft vermutet, sagt Experte Radics. Dennoch biete die wachsende Zahl an Modellen und Varianten deutlich mehr Optionen für den Autokäufer als früher. Auch seien immer größere Panorama-Dächer für viele eine echte Alternative zum Open-Air-Gefühl. Etwas bremse auch generell: „Das Verständnis, dass Cabrios heute vollwertige Autos sind und nicht mehr als reine Zweit- oder Drittwagen zu sehen sind, hat sich auch hierzulande noch nicht durchgesetzt“, gibt Branchenkenner Radics zu bedenken.
Cabrios prägen das Image der Hersteller
Dennoch seien Cabrios für viele Hersteller mehr als irgendeine Modellvariante – die Oben-Ohne-Autos prägen die Marken entscheidend. Kein Wunder also, dass die Kunden 2013 mit mehr als 60 verschiedenen Open-Air-Modellen die Qual der Wahl gehabt hätten. Der Trend zur Modulbauweise, mit der Hersteller aus Kostengründen immer mehr gleiche Bauteile in verschiedene Modelle bringen, spielt den Cabrios in die Karten. Sie können so vom selben Band laufen wie die übrigen Modelle. Entscheidungen pro Cabrio fallen den Autobauern da leichter.
Auf Zuliefererseite profitieren die Verdeckhersteller aber nur bedingt. Was den Autobauern intern gelingt – mit möglichst vielen Gleichteilen Kosten zu senken – ist für Verdecklieferanten eine Herausforderung. Sie müssen überall breitere Modellpaletten bedienen.
Zu unsicher ohne stabiles Dach?
Neben den asiatischen und amerikanischen Herstellern sind in Europa noch drei zentrale Player übrig: Webasto-Edscha Cabrio aus Deutschland, die 2009 die Cabriosparte von Edscha übernahmen, Magna Car Top Systems aus dem Reich des kanadisch-österreichischen Magna-Konzerns und Valmet-Karmann, der finnische Auftragsfertiger, der die Dachsparte des nach der Insolvenz aufgespaltenen Osnabrücker Karosseriebauers Karmann gekauft hat. Radics sagt: „In Anbetracht der Margenentwicklung und strategischen Herausforderungen für diese Hersteller können eher zwei als drei Player in dem Markt bestehen.“
Die BRIC-Staaten, auf denen die Hoffnungen der Branche ruhen, gelten kaum als cabrio-affin. Henner Lehne, Autoexperte bei den Markt- und Informationsspezialisten IHS in Frankfurt, sagt: „Selbst Brasilien, das Land der Sonne, ist kein großer Cabrio-Markt.“ Neben Aspekten zu Preis und Nutzen sei es in Rio oder São Paulo schlicht zu unsicher ohne stabiles Dach. „Da wird man schnell zur Zielscheibe.“
China ist kein Mekka der Cabrio-Branche
Lehne und Radics stimmen überein, dass auch China als größter Pkw-Markt der Welt absehbar kein Mekka der Cabrio-Branche werde. Die Luftqualität der Metropolen lade nicht zum offenen Fahren ein. Zudem gebe es Gründe, die in der Autokultur zu suchen seien. „Hier und da sieht man mal einen Mercedes-SLK oder Porsche-Boxster als Spaß-Auto der Freundin eines reichen Geschäftsmanns, aber sonst ist das offene Fahren derzeit noch kein Thema“, sagt Lehne. Und Radics berichtet: „Viele der 2013 in China verkauften Ferrari-Spider warten noch immer auf ein erstes Öffnen des Verdecks.“ Offensichtlich müssen Cabrios erst zum Lifestyle-Objekt heranwachsen und sind kein Selbstläufer.
Branchenriese Webasto ist dennoch überzeugt, dass Autodächer künftig wichtiger denn je werden – auch, wenn sie nicht gefaltet im Kofferraum verschwinden. Panoramadächer dürften als Designelement an Bedeutung gewinnen und die Individualität der Fahrzeuge prägen.


