Bahnverkehr Bahnverkehr: Die Hochgeschwindigkeitszüge Europas

Paris/München/Madrid/dpa. - Sie sind die «Rennpferde» auf Europas Schienensträngen. Durch ihr besonderes Design mit breiter abgeflachter Front demonstrieren Hochgeschwindigkeitszüge schon beim Halt im Bahnhof Energie und Tempo. Gut 20 Jahre nach dem Beginn des planmäßigen Einsatzes des TGV in Frankreich gehören die Züge zu den ständigen Gästen in den großen Bahnhöfen des Kontinents. Auf neu gebauten geradlinigen Hochgeschwindigkeitsstrecken machen die Schienenflitzer im Formel-1-Tempo mittlerweile in vielen Ländern Europas Flugzeug und Auto erfolgreich Konkurrenz.
Mehr als 3000 Kilometer umfasst nach Angaben des Internationalen Bahnverbandes UIC in Paris das für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ausgelegte Schienennetz in Europa. Grenzüberschreitende Strecken sollen in Zukunft die nationalen Hochgeschwindigkeitsnetze verbinden und so das Streckennetz der schnellen Züge mehr als verdoppeln. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hatten die Bahnen im Konkurrenzkampf mit dem Luft- und Straßenverkehr ihre vormals beherrschende Stellung verloren. Die neuen Züge sollen verlorenen Boden wieder wett machen. «Wir sind optimistisch über eine Renaissance des Schienenverkehrs», sagt UIC-Sprecherin Liesbeth de Jong.
Für den Geschäftsmann und Touristen bedeuten die Schienenflitzer schnelles und auch komfortables Reisen - allerdings zu den unterschiedlichsten Preisen. Wie die Deutsche Bahn in ihrem neuesten Tarifsystem unterschiedliche Fahrtkosten zu verschiedenen Zeiten verlangt, tun dies die übrigen europäischen Bahngesellschaften schon lange Zeit. Auch in Spanien, Italien und Frankreich reisen Bahnfahrer dann am billigsten, wenn die Nachfrage nach Plätzen am kleinsten ist.
Die Intercity Express-Züge (ICE) der Deutschen Bahn fahren auf der neuen Strecke zwischen Köln und Frankfurt am Main heute jedem Auto davon; sie schaffen die 177 Kilometer von Stadtmitte bis Stadtmitte in maximal 76 Minuten. Elf Jahre ist es her, seit die ersten superschnellen Züge durchs Land rollten. Heute fahren ICEs zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen. Sie verbinden Berlin mit Saarbrücken und Düsseldorf, doch nur auf den wenigen Neubaustrecken erreichen sie ihre Höchstgeschwindigkeit.
«Die Reisezeitverkürzung ist dafür ein echtes Argument», sagt Karl-Peter Naumann, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn in München. Im Flugplan suchen Reisende daher Verbindungen zwischen Hamburg und Berlin vergeblich, seit ICEs die 285 Kilometer zwischen den beiden Metropolen in nur etwas mehr als zwei Stunden zurücklegen.
Die Fahrpläne der europäischen Bahnen zeigen schon heute die steigende Bedeutung des internationalen Hochgeschwindigkeitsverkehrs: Der deutsche ICE fährt beispielsweise nach Amsterdam, Wien, Basel und Zürich. Der französische TGV (Train à Grande Vitesse) läuft ebenfalls die Schweiz an - und über die Alpen stellt ein «Pendolino» von Stuttgart aus mit seiner besonderen Neigetechnik eine zügige Verbindung nach Mailand her, von wo aus die superschnellen «ETR 500»-Züge die italienische Nord-Süd-Achse bis nach Rom und Neapel bedienen.
Für eine schnelle Verbindung zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich sorgt seit 1996 der TGV-ähnliche «Thalys», der zwischen Köln, Brüssel und Paris verkehrt. Zudem pendelt er zwischen Amsterdam, Brüssel und der französischen Hauptstadt. In Paris und Brüssel können Bahnreisende seit 1994 in den «Eurostar» umsteigen. Von der belgischen Hauptstadt aus braucht der Zug durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal weniger als drei Stunden bis nach London.
Knotenpunkte des französischen Hochgeschwindigkeitsnetzes sind die Kopfbahnhöfe von Paris. Für durchgehende Züge wurde eigens eine Umgehungsstrecke gebaut. Auf 1500 Kilometern verkehren in Frankreich bereits täglich mehr als 350 TGVs. Die Züge fahren westwärts zum Atlantik bis nach Bordeaux und nach Brest. Eine Verbindung in Richtung Osten nach Straßburg ist geplant. Dort soll der Übergang zum deutschen Schienennetz in den nächsten Jahren realisiert werden. Seit Sommer 2001 bringt der «TGV Méditerrannée» die Reisenden über eine neu gebaute Schnellstrecke an die Küste des Mittelmeeres - inzwischen auch in doppelstöckigen Waggons, die in acht Jahren Entwicklung entstanden sind. Eine Verlängerung der Strecke bis Barcelona ist bereits geplant.
Wer von der katalanischen Metropole zügig nach Madrid weiterreisen möchte, braucht dazu in etwa zwei Jahren kein Flugzeug mehr: Die rund 630 Kilometer bis zur Hauptstadt sollen dann in zweieinhalb Stunden zu schaffen sein - heute dauert die Fahrt drei Mal so lang. Durch die Modernisierung des Schienenstranges zwischen Barcelona und der südlich gelegenen Hafenstadt Valencia schaffen die dort fahrenden «Euromed»-Züge die 388 Kilometer in nur noch eineinhalb Stunden.
Spanien zeigt heute bereits mit Stolz auf ein Paradebeispiel eines «Superschnellen»: Zwischen Madrid und Sevilla in Andalusien verkehren auf 472 Kilometern seit 1992 nach Fahrplan die an den TGV angelehnten Hochgeschwindigkeitszüge AVE (Alta Velocidad Espanola) mit solcher Pünktlichkeit, dass die Bahnverwaltung bei einer Verspätung von mehr als fünf Minuten sogar den Fahrpreis erstattet. «An der Strecke liegt auch die historische Stadt Cordoba, die durch den AVE geeignetes Ziel eines Tagesausflugs ist», heißt es in einem Reisebüro in Madrid.

