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Autospitznamen Autospitznamen: «Hängebauchschwein» und «Blechliesel» sind out

Von Stefan Weißenborn 12.04.2011, 06:15
Der Hausfrauenporsche: Diesen Beinamen erhielt der Karmann Ghia von VW. Hier ein Cabrio vom Typ 14 von 1974. (FOTO: VOLKSWAGEN/DPA)
Der Hausfrauenporsche: Diesen Beinamen erhielt der Karmann Ghia von VW. Hier ein Cabrio vom Typ 14 von 1974. (FOTO: VOLKSWAGEN/DPA) dpa-tmn

Berlin/dpa. - Die Automobilgeschichte hat viele urigeProtagonisten: Da gab es das Eisenschwein, die Knutschkugel, dasKommissbrot, die Badewanne oder den Barockengel. Diese Spitznamenformulierte der Volksmund für die Autos der ukrainischen MarkeSaporoschez und die Modelle BMW Isetta, Hanomag 2/10 PS, Ford Taunus17M und BMW 501. Unvergessen auch der Hausfrauenporsche (KarmannGhia), der Schneewittchensarg (Volvo P1800 ES) und die Ente (Citroën2CV). Doch die Zeit der Kosenamen fürs rollende Blech haltenExperten für weitgehend abgeschlossen.

«Es gibt kaum noch Spitznamen, da sich die meisten Autos vonheute der Stromlinienform unterwerfen», sagt Markus Lindla von derNamensagentur Nambos in Köln. «Auf den ersten Blick lässt sichmancher Toyota kaum noch von einem Lexus oder der 5er BMW von einembeliebigen anderen Mittelklassewagen unterscheiden.» Demnach ist esdie schlichte Verwechselbarkeit und mangelnde Charakteristik derFahrzeuge, die Kosenamen für Autos rar werden lässt.

Einst, als es eine noch nicht so unübersichtliche Modellvielfaltgab, war der Volksmund ein plappernder Erfindergeist. Zum Beispielzu Zeiten des VW 1200, den es über Jahrzehnte im nahezu nichtumgeschneiderten Blechkleid unter anderem auch als VW 1300, VW 1500oder VW 1303 gab. «Ob es ein amerikanischer Importeur war, derdiesen Wagen als allererster Beetle nannte? Kann schon sein»,mutmaßt Bernhard Kittler, Leiter der Volkswagen Classic GmbH.Letztlich sei ungeklärt, wie die naheliegende Bezeichnung, die imdeutschsprachigen Raum schnell als Käfer übernommen wurde, entstand.

Ein Auto, dem ein Spitzname verpasst wird, muss die Menschenreizen - entweder optisch, durch die verbauten Materialien odereinfach durch bescheidene Verhältniss im Innenraum, wie bei derIsetta von BMW (1955 bis 1962). Der Zweisitzer mit der großenFronttür erhielt wegen der nahezu ballförmigen Karosserie gleichzwei Beinamen: rollendes Ei und Knutschkugel. Letzteren wegen desnotgedrungen kuscheligen Zusammensitzens im Innern. Haifischmaulhieß der Opel Olympia Rekord aus den 50er Jahren wegen seines ovalenKühlergrills: «Er sah aus, als wolle er gleich zubeißen», sagtLindla.

Ein anderer Experte für Autobezeichnungen, der Leiter der KölnerAgentur Endmark, kennt noch einen weiteren Anreiz für die Spitznamenvon damals: «Vor allem die bekamen einen, die keinen richtigen Namenhatten», erklärt Bernd Samland. Das Model T von Ford wurde so zurTin Lizzy (Blechliesel), der T1 von VW zum Bulli.

Egal ob die Namen liebevoll gemeint waren oder despektierlich,verkaufsfördernd waren sie nach Einschätzung der Experten allemal.Nur die Hersteller erkannten dies nicht immer: «Den Namen Käfer hatman bei Volkswagen gemieden wie der Teufel das Weihwasser», sagtVW-Historiker Kittler. «Er war einfach zu verniedlichend für einFahrzeug, das im Deutschland der 50er Jahre fast 30 Prozent desPkw-Marktes ausmachte.» Später besann man sich und griff zumindestzur englischen Bezeichnung, als 1997 der New Beetle vorgestelltwurde. Auch der spöttische Name Erdbeerkörbchen habe der einstigenPopularität des Golf Cabrio keinen Abbruch getan, sagt Kittler.

Gleiches dürfte für das Hängebauchschwein von BMW gelten, schätztBMW-Sprecher Friedbert Holz. Die Bezeichnung für den 1er findet er«wenig schmeichelhaft», doch ebenso wenig imageschädigend. DieBezeichnung erhielt der kleine Münchener wegen seiner gewölbtenFalte im Blech über den Seitenschwellern.

Eher ein Ladenhüter hierzulande war der Fiat Multipla: Der Wagenwurde auch schon Fiat Ugly genannt, wahrscheinlich weil er vielenwohl tatsächlich zu hässlich war. «Designunfall», nennt BerndSamland den Wagen mit der eigenartig gestalteten Front.

Doch gerade solche Autos sind es, die aus dem Einheitsbreiherausragen und auch heute noch zu Beinamen animieren. «Spitznamenverleihen einem Auto Persönlichkeit, in Zeiten, wo Autos immerverwechselbarer werden», meint Kittler. Doch wahre Charakterköpfesind Mangelware: «Wenn selbst Kleinwagen aussehen wie die Großen -was will man da noch Kosenamen erfinden?», fragt der Kreative Lindla.

Dass Spitznamen wohl nie ganz aussterben und auch manchmal Autosgewidmet werden, die noch gar nicht im Verkauf sind, zeigt der für2013 geplante Porsche Cajun: Baby-Cayenne wird er schon genannt,denn er sieht aus wie der kleine Bruder vom großen SUV Cayenne.

Mit Sicherheit wird 2011 noch ein neuer Käfer auf die Bühnekrabbeln. Nur, dass er auf den Namenszusatz des alten Neuenverzichtet. VW-Historiker Kittler: «Er wird nicht mehr New Beetle,sondern nur noch Beetle heißen.» Seine offizielle Modellbezeichnungist wohl bislang die einzige in der Geschichte des Automobils, diesich ein Hersteller vom Volksmund abgeschaut hat.