ADAC ADAC: Notrufe im Minutentakt
Halle/MZ. - Die gelernte Chemielaborantin wollte weg aus Deutschland, "einmal etwas ganz anderes machen", und findet Erfüllung in dem Call-Center in Italien. "Es macht einen unheimlich glücklich, wenn Familien beispielsweise nach einer Autopanne ihre Urlaubsfahrt durch unsere Hilfe fortsetzen können."
Die Notrufstation in Mailand ist eine von 15, die der ADAC in Europa und in den USA betreut. Nach Barcelona (Spanien) steht die Mailänder Station an zweiter Stelle bei den Hilfeleistungen. 120 000 Notrufe sind im vergangenen Jahr hier eingegangen. "Die Pannenhilfe steht dabei an erster Stelle, gefolgt von Fahrzeug- und Krankenrücktransport", sagt Domenico Pistone, der Leiter der Mailänder Station.
Weil es in Italien keine Pannendienste gibt, die wie anderswo im Auftrag des ADAC Soforthilfe leisten könnten, setze der Automobilclub hier in der Saison drei Gelbe Engel ein, die man sonst nur aus Deutschland kennt.
"Gelbe Engel" unterwegs
René Gambarro ist einer von ihnen. Der Straßenwachtfahrer ist stolz, dass immerhin 80 Prozent der Fahrzeuge vor Ort wieder flott gemacht werden und die Urlauber ihre Tour im eigenen Auto fortsetzen können. "Nur bei Motorschaden müssen wir passen", sagt der 34-jährige Kfz-Meister, der im Winter mit seiner Familie in München lebt und dann dort für den ADAC arbeitet.
Hauptbetätigungsfelder für Gambarro in Südtirol, am Gardasee und an der Adria sind versehentlich verschlossene Fahrzeuge ("Tür zu, Schlüssel drin"), ausgelaugte Batterien und Macken in der Elektrik.
Der "Engel" gewährt einen Blick in sein gelbes Auto. Mehr noch als die ADAC-Pannenhilfsfahrzeuge in Deutschland ist es bis buchstäblich unter das Dach mit Werkzeugen und Ersatzteilen vollgestopft. "Das Wichtigste aber ist mein Laptop", sagt Gambarro. Der sei vor allem für die Fehlersuche in den elektronischen Bauteilen unverzichtbar, "und bei den vielen Fahrzeugtypen, mit denen wir konfrontiert werden, habe ich viele Störungen und ihre Wege zur Beseitigung gesammelt." Bei einem Fall hat sich Gambarro allerdings die Haare gerauft. Selbst die Recherchen in seinem Archiv brachten keinen Lösungsansatz: In der Nähe von Bozen, immer wieder an der gleichen Stelle, ließen sich 20 Autos von ihren Besitzern mit dem elektronischen Schlüssel nicht mehr öffnen.
Gambarro setzte geduldig bei jedem Fahrzeug Vakuumkissen und Drahtschleife an, öffnete so die Türen. Der Lösung des Rätsels kam er schließlich mit Hilfe eines Restaurantbesitzers ganz in der Nähe der streikenden Fahrzeuge auf die Schliche. Dessen modernes Kassensystem funktionierte haargenau mit der gleichen Frequenz wie das Schließsystem der Autos, so kam es nach Gambarros Worten zum "Blackout". "Mittlerweile", so erzählt der Straßenwachtfahrer, "wissen wir auch in Deutschland von solchen Fällen."
Teile werden beschafft
Ihre Aufträge bekommen René Gambarro und seine beiden Kollegen telefonisch beziehungsweise per Computer aus der Notrufzentrale. Die Reihenfolge teilen sich die Gelben Engel nach Dringlichkeit und regionenbezogen selber ein. "Sehr eng arbeite ich mit Bernhard und Massimo in der Zentrale zusammen", sagt Gambarro. Sie kümmern sich um Ersatzteile. Es sei schon vorgekommen, dass ein seltenes Teil von 2 000 Kilometer weit herangeschafft werden musste. "Das sind Momente", sagt Domenico Pistone, "in denen unsere Mitglieder besonders froh über ihren Schutzbrief sind." Denn auch solcher Service sei gratis.
"Mich berühren besonders Anrufe, bei denen ich im Hintergrund Kinder schreien höre", sagt Beate Thelen. Da falle es nicht immer leicht, einen klaren Kopf zu behalten. Sie erinnert sich an eine Mutter mit drei kleinen Kindern, die bei 40 Grad auf dem Weg zu einer Fähre steckengeblieben war. "Die Situation war brenzlig. Das Auto befand sich in einer staugefährdeten schmalen Gebirgsstraße. Wo sie genau war, konnte die Mutter nicht sagen. Bis zur Abfahrt der Fähre nach Griechenland blieben der Familie drei Stunden. Die Tickets, die 1 000 Euro gekostet hatten, waren nicht umbuchbar", erinnert sich die Frau am Notruf-Hörer.
Krank nach Hause
Mit viel Spürsinn und Organisationstalent habe der ADAC die Familie schließlich ausfindig gemacht und mit einem Ersatzwagen versorgt, so dass die Fähre rechtzeitig erreicht wurde. Nach dem geglückten Griechenland-Urlaub habe die Familie ihr motorgeschädigtes Auto im heimatlichen Deutschland wieder vorgefunden. Die Rückführung hatte der Automobilclub zwischenzeitig organisiert.
Notrufzentrale-Chef Domenico Pistone, ein promovierter Arzt, glaubt bei allen Pannen- und sonstigen Diensten, "dass der Krankenrücktransport und alles, was mit der Gesundheit zusammenhängt, im Ernstfall am wertvollsten ist."
Mehr als 3 000 Menschen seien 2006 vom ADAC bei schwerer Krankheit oder nach einem Unfall von Italien nach Deutschland transportiert worden.
"Vielen Anrufern fällt schon ein Stein vom Herzen, wenn sie hören, dass mit uns Deutsch gesprochen werden kann und wir Absprachen mit Ärzten und Werkstätten übernehmen", sagt Pistone. Und wenn jemand ein lebenswichtiges Medikament braucht, werde das beschafft. Notfalls aus Deutschland.
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