40 Jahre Lancia Stratos 40 Jahre Lancia Stratos: Ein Keil mit Karacho

MAINZ/ENSDORF/DPA. - Dass Lancia auch Sportwagen gebaut hat,könnte man beim Blick auf die aktuelle Modellpalette schnellübersehen. Das Mittelklassemodell Delta, der Van Musa und derKleinwagen Ypsilon wecken keine Erinnerungen an jene Zeit, als deritalienische Autohersteller mit dem Stratos für Furore sorgte. AmMessestand des Karosseriedesigners Bertone wurde auf dem TurinerAutosalon im November 1970 die kantige Studie enthüllt. Nur ein Jahrspäter ging der Stratos in die Serienproduktion - alszulassungsfähige Straßenversion des reinen Rallyesportwagens, mitsich dem Lancia ab 1974 gleich dreimal in Folge den Weltmeistertitelsicherte.
Es lag vor allem an der Leichtbauweise des Stratos, dass der Keilmit Karacho schier unschlagbar schien. Mit einem Stahlrahmen wie ausdem Modellbaukasten und der Karosserie aus glasfaserverstärktemKunststoff bringt der gerade einmal 3,76 Meter lange und 1,08 Meterhohe Zweisitzer nur 980 Kilo auf die Waage. Damit hat der querhinter den Sitzen eingebaute V6-Motor leichtes Spiel: Das 2,4 Litergroße und 140 kW/190 PS starke Aggregat aus dem Ferrari Dinobeschleunigt den Stratos in 6,8 Sekunden auf Tempo 100. Schluss isterst bei 248 km/h.
Allerdings braucht es viel Geschick, um den Wagen derart flott zufahren. Schließlich ist schon das Einsteigen eine gymnastischeÜbung. Und wer es durch die schmalen Türen geschafft hat, der kanndrinnen kaum sitzen. Denn der Stratos ist so flach, dass dieRallyefahrer das Bodenblech ausbeulen oder sogar das Sitzgestellausbauen mussten, um samt Helm unters Dach zu passen. Hinzu kommeneine schlechte Rundumsicht, die ungewöhnlich ausgerichtete Schaltungund die extreme Hitze, die der lärmende Motor in den Innenraumabstrahlt.
Das alles stört Stratos-Fans wie Claus Aulenbacher nicht. DerUnternehmer aus Mainz hat gleich zwei Fahrzeuge in der Garage: einStradale-Modell mit Straßenzulassung und einen Rennwagen, mit dem eran Oldtimerrallyes in ganz Europa teilnimmt. Dort geht Aulenbachermit seinem Stratos so gut wie nie allein an den Start. «Fast jedesgebaute Auto hat überlebt oder wurde zumindest wieder aufgebaut»,sagt Udo Sparwald, der sich in Ensdorf unter anderem auf dieReparatur des Sportwagens spezialisiert hat. Das sei allerdings keinleichtes Unterfangen, da es inzwischen kaum noch Ersatzteile gibt.Viele Komponenten müssen im Reparaturfall aufwendig nachgebautwerden. Einen Stratos wieder flott zu machen könne deshalb schnellmehr kosten als ein neuer Kleinwagen, sagt Sparwald.
So lückenhaft wie die Ersatzteilversorgung ist auch die Chronikdes sportlichen Oldtimers: «Wie viele Autos genau gebaut wurden,weiß heute so recht keiner mehr», erklärt der Experte. «Vor Jahrenhatte man sich auf 492 geeinigt, mittlerweile geht man allerdingsvon 502 Exemplaren aus.»
Leichte Unschärfen in der Geschichtsschreibung haben beim StratosTradition: Schon bei der Produktion des Straßenwagens seien dieZahlen geschönt worden, erklärt Sparwald - und erzählt eineAnekdote: «Als die Motorsportorganisation FIA die 400 Straßenautossehen wollte, die Lancia vor dem Einsatz des Rallyewagens bauenmusste, hat man die Delegation erst auf einen großen Parkplatz unddann zu einem langen Mittagessen geführt. Weil die Autoszwischendurch einfach umgestellt wurden, ist keinem aufgefallen,dass Lancia nie und nimmer die gesamte Flotte zusammen hatte.»
Damals hatte Lancia offenbar große Mühe mit dem Verkauf desStratos. Kosteten die ersten Stradale-Modelle in Deutschland noch 49500 Mark, wurden die letzten Exemplare nach dem Produktionsende 1975buchstäblich verramscht - angeblich für 15 000 Mark. «Diese Zeitensind heute längst vorbei», sagt Sparwald und macht eine neueRechnung auf: «Ein fahrbereiter Stratos ist aktuell unter 100 000Euro kaum zu bekommen und kostet gerne auch mal das Doppelte.» Nochteurer seien die Rennversionen, vor allem die Siegerautos, so derExperte - «denn Geschichte hat ihren Preis».

