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Auswanderung nicht überstürzen

24.07.2007, 07:04

Koblenz/dpa. - Koblenz  - Angesichts steigender Auswanderer-Zahlen hat das Raphaels-Werk in Koblenz vor einer überstürzten Entscheidung für ein Leben im Ausland gewarnt. Ohne die erforderlichen Sprachkenntnisse dauere eine Vorbereitung in der Regel eineinhalb bis zwei Jahre.

Das sagte der Migrationsberater des Koblenzer Raphaels-Werkes, Karlheinz Bergmann. Nicht zu unterschätzen seien auch die Kosten einer Auswanderung. Visa-Gebühren, die Übersetzung von Qualifikationsnachweisen oder Gesundheitsuntersuchungen: «Das kostet alles Geld», sagte Bergmann, der seit 1998 Auswanderwillige berät.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kehrten im vergangenen Jahr 155 000 Deutsche der Bundesrepublik den Rücken. Das waren sieben Prozent mehr als im Jahr davor. Das Raphaels-Werk - ein Fachverband des Deutschen Caritasverbandes - berät im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz Auswanderwillige.

Bergmann selbst hat nach eigenen Angaben in Koblenz monatlich rund 15 bis 20 Beratungen zum Thema Auswandern. Darunter seien Rentner, die ihren letzten Lebensabschnitt im sonnigen Ausland verbringen wollten, Menschen, die unzufrieden mit der politischen Lage in Deutschland seien oder die keine berufliche Zukunft mehr in der Heimat sähen. Bundesweit seien die Schweiz, Österreich und die USA beliebte Zielländer, sagte Bergmann. Er berät vor allem Menschen, die innerhalb der EU auswandern wollen. «Es gibt Länder, die dringend bestimmte Berufszweige suchen.» Pflegekräfte und Ärzte seien beispielsweise in Skandinavien gefragt - Handwerker dagegen eher in den klassischen Auswanderungsländern wie den USA oder Kanada.

Sprachkenntnisse seien das A und O, betonte der Sozialpädagoge. «Ohne Sprache gibt es keine Integration.» Häufig scheiterten die Auswanderer auch an ihrer Erwartungshaltung, wenn diese nicht mit der Realität zusammenpasse. «Migration ist Stress. Sie fangen völlig neu an», erklärte er. Es sei deshalb wichtig, sich vor der Auswanderung auch mit der Kultur des Ziellandes auseinander zu setzen. Wer als Mensch introvertiert sei, müsse sich fragen, ob gerade Lateinamerika das richtige Ziel sei, wo die Menschen eher extrovertiert lebten. 

Die erste Zeit in einem neuen Land sei geprägt von der «Existenzsicherung». «Dazu gehören Behördengänge und die Arbeitssuche», erklärte der Sozialpädagoge. Im zweiten Schritt stehe die Identitätsfindung an: «Welche Werte nehme ich an?», erklärte er. In der nächsten Phase schlössen sich Menschen gleicher Sprache und Herkunft häufig zusammen. «Das Problem ist, viele Leute kommen da nicht mehr raus», erklärte Bergmann. Manchmal gehe damit eine Idealisierung der Heimat einher. Bis zum nächsten Schritt, dem Austausch mit Einheimischen und der Integration, kämen viele dann nicht mehr.

Fachverband des Deutschen Caritasverbandes: www.raphaels-werk.de (dpa)