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Aus Alt mach Neu - upcycling design

Von Petra Spescha 12.07.2010, 09:17

Frankfurt/Main/dpa. - Gut eine Million Kilometer kann ein handelsüblicher Lastwagen quer durch Europa fahren, bevor er schrottreif ist. Für die Spedition ist er dann nichts mehr wert - für kreative Köpfe ist so ein alter Laster allerdings eine kleine Schatzkiste.

Die 35-jährige Münchnerin Marei Magiera schneidert aus gebrauchten Airbags moderne Taschen und haucht so den alten Säcken neues Leben ein. Mit ihrem ersten Luftkissen kam die studierte Designerin bei BMW-Crashtests in Kontakt: «Im Keller habe ich einen Airbag liegen sehen, der entsorgt werden sollte, und der war so schön, dass ich gedacht habe: Der ist viel zu schade, um ihn wegzuschmeißen.»

Über zwei Jahre ist das inzwischen her, und seitdem hat Magiera die Faszination für das weiße, extrem robuste Nylonmaterial nicht mehr losgelassen. Die Taschen ihres Labels «marsupium» heißen «driver» oder «inflatable curtain», je nachdem, ob ihr der runde Fahrer- oder der längliche Seitenairbag als Ausgangsmaterial für die Accessoires dient. Dabei gleicht keine Tasche der anderen, denn Form und Design ergeben sich aus der Beschaffenheit des Airbags, wie Magiera betont: «Jede Tasche ist ein Unikat, weil jeder Airbag die Aufdrucke und Barcodes an einer anderen Stelle hat.»

Einzigartig sind auch die Taschen aus alten Lkw-Planen und ausgemusterten Sicherheitsgurten, die in den Werkstätten der Wiener Sozialeinrichtung «gabarage» hergestellt werden. Dort können Kunden nämlich selbst kreativ werden und Form, Farbe, Material und Design ihrer Tasche individuell bestimmen. Genäht werden die Designstücke von Langzeitarbeitslosen und ehemaligen Drogenabhängigen, die im Rahmen ihrer Therapie resozialisiert und an ein normales Arbeitsleben gewöhnt werden sollen. Im Sortiment der preisgekrönten österreichischen Kreativwerkstatt sind auch Schmuckstücke aus alten Dichtungsringen, Schrauben und Muttern - erlaubt ist dabei, was gefällt.

In Deutschland nimmt sich das fränkische Designlabel «Ars Rediseno» von Melita Birthälmer gebrauchten Reißverschlüssen und Sicherheitsgurten an und stellt daraus bunte Broschen und trendige Armbänder her.

Zentrale Philosophie hinter den Projekten ist das «upcycling» von Reststoffen. Ausgediente Gebrauchsgegenstände werden dabei nicht mehr ihrer Funktion entsprechend verwendet, sondern als Designobjekte aufgewertet. Architekt und Diplomingenieur Gereon Pilz van der Grinten sieht in dieser Bewegung einen neuen Trend. «Die Menschen fragen immer häufiger gezielt nach umweltbewussten und nachhaltigen Produkten. Eco-labels, die diesen Trend bedienen, verzeichnen Umsatz-Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent», erklärt der Veranstalter der internationalen Messe «THEKEY.TO ACCELERATION», die im Juli in Berlin ökologische Mode und nachhaltiges Design ausstellt.

Auch Taschendesignerin Magiera hat mehr Anfragen, als sie in ihrer kleinen Manufaktur derzeit bearbeiten kann. Für das «upcycling» des alten Lasters hat sie auch gleich noch ein paar Ideen: Möbel und Betten aus dem Untergestell oder Schuhe aus den Reifen, zum Beispiel. Übrigbleiben muss nichts.

Airbag-Taschen von marsupium: www.marsupium.de

Taschen aus alten Lkw-Planen: www.gabarage.at

Ohrringe und Schalen aus Reststoffen: www.arsrediseno.com

Messe «THEKEY.TO ACCELERATION»: www.thekey.to