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Architekten Architekten: Nachwuchs braucht Mut und Geduld

23.12.2002, 10:13

Bremen/Coburg/dpa. - Im Baugewerbe dominieren momentan die Schreckensmeldungen die Nachrichten. Von der Rezession in diesem Bereich sind auch Architekten betroffen: Die Bundesarchitektenkammer (BAK) in Berlin geht für 2002 von einer Arbeitslosenquote von 9 Prozent aus. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, kann jedoch von der Krise profitieren: «Auf Grund sinkender Bewerberzahlen entfällt an den Universitäten seit diesem Wintersemester erstmals der bundesweite Numerus Clausus für das Fach Architektur», sagt Barbara Christiane Hamann, Referentin für Architektur und Bautechnik der BAK. Nur an einzelnen Universitäten gebe es noch mehr Bewerber als Studienplätze.

Schlechter als die Studienbewerber stehen derzeit allerdings die angehenden Jungarchitekten da: «Weil der Markt übersättigt ist, müssen sie sich häufig mit geringen Anfangsgehältern zufrieden geben», sagt Hamann. Die Einstiegsgehälter lägen zwischen 1000 und 2000 Euro brutto, nach zwei Berufsjahren zwischen 1500 und 2500 Euro.

Die Lage sei aber weniger dramatisch als sie oft dargestellt wird, sagt Franz Göger, Professor und Studienfachberater am Fachbereich Architektur an der Fachhochschule Coburg. «Die Hauptsache ist, dass man sich nicht einschüchtern lässt.» So müssten Absolventen unter Umständen 20 bis 40 Bewerbungen schreiben, bevor sie eine Anstellung bekommen.

Bereits vor einer Entscheidung für das Studium sollten zukünftige Architekten Erfahrungen sammeln: «Am besten macht man noch vor dem Studium ein Praktikum in einem Architekturbüro oder im Baugewerbe, dann bekommt man einen besseren Einblick», empfiehlt Karl-Heinz Welsch, Fachstudienberater am Fachbereich Architektur der Bauhaus-Universität Weimar. An einigen Hochschulen können sich Studenten diese frühen Erfahrungen später auch anrechnen lassen. Insgesamt müssen sie an allen Universitäten im Laufe des Studiums bis zu sechs Monate lang Praktika machen.

Für das eigentliche Architektur-Studium werden an einer Universität dann neun Semester Regelstudienzeit veranschlagt. An den Fachhochschulen (FH) sind es nur acht. Auf dem Lehrplan stehen jeweils neben Baukonstruktion, Gestaltung und Entwerfen auch Statik, Haustechnik, Baustoffkunde, Zeichnen, Architekturgeschichte und spezielle Computerprogramme. «Gerade der Umgang mit dem Computer ist in den vergangenen Jahren besonders wichtig geworden, denn der Bildschirm hat das Zeichenbrett weitgehend aus den Architekturbüros verdrängt», sagt Welsch.

Umgesetzt wird das angeeignete Fachwissen schließlich in Semesterentwürfen, die häufig in Gruppenarbeit abgefasst werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Universität und Fachhochschule ist Göger zufolge vor allem der größere Praxisbezug an der FH. Hier werde bei den Entwürfen ein besonderer Schwerpunkt auf den konstruktiven und technischen Bezug gelegt. Der Abschluss der Ausbildung bildet sowohl an den Universitäten als auch den Fachhochschulen die Diplomarbeit im letzten Studiensemester.

Der damit erworbene Titel des Diplom-Ingenieurs ist jedoch noch nicht das Ende der Ausbildungszeit, erläutert Hamann: «Bevor ein Diplom-Ingenieur sich in die Architektenliste eintragen lassen kann und damit den Titel Architekt führen darf, muss er zwei bis drei Jahre als Angestellter in einem Büro gearbeitet haben. Vorher bekommt er keine Bauvorlageberechtigung.»

Diese Regelung sei sinnvoll, damit die Studienabgänger zunächst Erfahrungen sammeln, bevor sie eigene Bauvorhaben in Angriff nehmen, sagt Wilfried Turk, der als selbstständiger Architekt in Bremen arbeitet. «Die Entwurfsplanung, die während der Ausbildung an der Universität im Vordergrund steht, macht nur 18 Prozent eines Bauvorhabens aus.» Wesentlich mehr Zeit nähmen dagegen die Ausführungsplanung, bei der alle Details ausgearbeitet werden und eine Kalkulation erstellt wird, sowie die Bauleitung in Anspruch.

Gerade diese beiden Bereiche sind laut Turk auch in der Zukunft ein wachsendes Arbeitsfeld für Architekten: «Bisher arbeitet der größte Teil aller Architekten im Bereich der Entwurfsplanung. Wer sich auf die Ausführungsplanung oder auf das Baumanagement spezialisiert, hat viel bessere Chancen unterzukommen.» Auch Welsch empfiehlt Absolventen daher Aufbaustudiengänge im Baumanagement.

Auch die Denkmalpflege sei zukunftsträchtig, sagt Göger: «In den kommenden Jahren wird es immer weniger Neubauten geben, der Bedarf ist weitgehend gesättigt. Stattdessen wird die Sanierung der Altbauten in den Vordergrund treten.» Außerdem hat Göger einen Tipp für alle arbeitslosen Architekten mit Reiselust: «In Norwegen wird gerade händeringend nach Architekten gesucht.»