1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Arbeitszeugnis: Arbeitszeugnis: Das Lob kann mitunter sehr vergiftet sein

Arbeitszeugnis Arbeitszeugnis: Das Lob kann mitunter sehr vergiftet sein

Von Verena Wolff 20.08.2004, 19:09

Halle/MZ. - "Ein Praktikumszeugnis ist wichtig für den Lebenslauf - denn viel mehr Handfestes haben Schüler und Studenten nicht vorzuweisen", meint Anne Backer, Anwältin im bayerischen Kissingen und Arbeitszeugnis-Buchautorin: "Arbeitgeber schreiben notorisch ungern Zeugnisse." Daher ist mancher Arbeitnehmer oder Praktikant froh, wenn er überhaupt eines bekommt - obwohl er einen Rechtsanspruch darauf hat. Doch auf Aufbau und Inhalt der Beurteilung kommt es ebenso an. Arbeitnehmer sollten sich nicht mit ein paar nett klingenden Sätzen zufrieden geben. Doch genau da liege die Krux, sagt Jürgen Hesse vom Büro für Berufsstrategie in Berlin: "Die Zeugnissprache ist eine eigene Sprache, die nur Lob kennt - das kann mitunter sehr vergiftet sein." Dieser Code in den qualifizierten Zeugnissen - also jenen, in denen die Beurteilung der Leistung im Vordergrund steht - kennt verschiedene Verfahren. Einerseits gibt es die so genannte Leerstellentechnik. "Wenn bestimmte Angaben im Zeugnis fehlen, ist Achtung geboten", sagt Anwältin Backer. So kann es passieren, dass im formalen Aufbau Dinge fehlen. "Das ist ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer nicht wichtig war oder schlecht gearbeitet hat", erläutert Backer.

Ein Zeugnis unterliegt bestimmten Konventionen. "Es muss grundsätzlich auf Firmenpapier im Format DIN A4 geschrieben sein, und nach Datum und Einleitung die Beschreibung der Tätigkeit enthalten", erläutert Schiller. Auch Fertigkeiten und Spezialkenntnisse sollten vorkommen, ergänzt Hesse.

"Die Leistungsbeurteilung hat einen zentralen Stellenwert in einem qualifizierten Zeugnis", unterstreicht Anwältin Backer. Folgen sollte das Sozialverhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden sowie die Gründe für das Gehen und eine Dankesformel. Die Unterschrift ist zwar der letzte, aber mit der wichtigste Punkt auf der Beurteilung. "Die Signatur einer in der Hierarchie unwichtigen Person entwertet das Zeugnis", erklärt Hesse.

Die Experten raten, sich nach Erhalt des Zeugnisses in Ruhe hinzusetzen und die vermeintlich gut klingenden Sätze genau durchzulesen. Backer empfiehlt, sich zunächst mit dem Vorgesetzten zu unterhalten und die Kritik vorzubringen. "Man darf aber nicht zu viel wollen", sagt sie. Alle Angaben auf einem Zeugnis müssen der Wahrheit entsprechen - auch wenn sie in einem Zweifelsfall im Sinn des Arbeitgebers formuliert werden sollen. Zeigt ein Gespräch keinen Erfolg, und das Zeugnis bleibt, wie es war, sollte man das Anliegen noch einmal schriftlich formulieren.

Literatur: Anne Backer: Arbeitszeugnisse. Entschlüsseln und mitgestalten, Haufe, 6,60 Euro, im Buchhandel unter ISBN 3-448-04983-2

Jürgen Hesse, Hans Christian Schrader: Arbeitszeugnisse - Professionell erstellen, interpretieren, verhandeln, Eichborn, 13,90 Euro , im Buchhandel unter ISBN 3-8218-3826-4