1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Anbieter unter der Lupe: Anbieter unter der Lupe: Wellnepp statt Wohlgefühl

Anbieter unter der Lupe Anbieter unter der Lupe: Wellnepp statt Wohlgefühl

Von Marietta Kollecker 14.10.2002, 20:31

Halle/MZ. - Einst ein Nischenprodukt, nun liegen sie im Trend: die Gesundheitsferien Die Wellness-Welle spült immer mehr Gäste in die Wohlfühl-Oasen, die in Deutschland wie Pilze aus dem Boden schießen. Doch oft erwartet den Gast statt Wohlgefühl Enttäuschung. Er fühlt sich geneppt.

Seit dem Vorjahr erhöhte sich die Zahl der einschlägigen Betriebe der Wellness-Hotellerie in Deutschland von 696 auf heute 939. "Allein in diesem Jahr hat in Deutschland praktisch alle 36 Stunden eine neue Wohlfühl-Oase ihre Türen geöffnet", resümiert Christian Werner, Herausgeber der internationalen Buchreihe Relax Guide. Diese kritischen Wellnesshotel-Führer nehmen alljährlich Gesundheits-, Kur- und Beauty-Betriebe genau unter die Lupe.

Für den Konsumenten hat dieser Boom, so Werner, auch negative Seiten. Einerseits ist das Angebot längst nicht mehr überschaubar, andererseits versuchen sich immer mehr Hoteliers als Trittbrettfahrer. Der Mangel an Sachkenntnis wird nicht selten durch eine aufgeblasene Ausstattung verdeckt. Das führt oft zu mit Firlefanz überladenen Bäderbereichen. "Es ist beinahe unglaublich, was unsere anonymen Tester da zu sehen bekommen und wie wenig Unterschied es zum Nachbarhotel gibt." Es führe aber auch dazu, dass der Gast völlig allein gelassen wird. Denn es fehlt der therapeutische Hintergrund.

Nicht beachtet wird weiterhin, dass die neue Wohlfühlkultur auch ganzheitlicher Ästhetik bedarf. Denn Wohlbefinden ist untrennbar mit der Ästhetik des Umraums verbunden. Werner: "Im Relax Guide achten wir daher auf optisch und sinnlich exquisites Interieur. Nur teuer installierte Ausstattung beeindruckt uns nicht. Punkte gibt's dagegen für Häuser, die ein entsprechendes Ambiente anzubieten haben." Denn wer auf Körper und Sinne hören soll, der findet sich in niedrigen, verwinkelten, unharmonisch gestalteten und vielleicht auch noch schlecht belüfteten Räumen in einer Situation gefangen, an der er unweigerlich scheitern muss. Christian Werner: "Ein nachhaltiger Effekt bleibt aus, der Wellnessurlaub geht an den Bedürfnissen des Gastes vorbei. Das bringt dem Hotel zwar Geld, schadet aber den seriösen Anbietern. Und ganz besonders Wohlbefinden und Brieftasche des Konsumenten."

In seiner zweiten, aktualisierten Ausgabe erscheint nun der Relax Guide Deutschland, der sämtliche Einrichtungen nach objektiven Kriterien bewertet hat. <$7>- ein Verzeichnis aller auf Wellness, Kur- oder Beauty-Urlaub spezialisierten Hotelbetriebe. Alle werden einer kritischen Betrachtung und Bewertung nach objektiven Kriterien unterzogen. Der praktische Führer hat mit den sonst üblichen "Katalogen" nichts zu tun. In herkömmlichen Prospekten und Werbematerialien vermittelt nämlich fast jedes Haus, es sei "das Erste am Platz". Und wer kann als Urlauber schon beurteilen, ob der Qi-Gong-Meister wirklich gut ist und die Ayurveda-Massagen richtig gemacht werden? Dass die Wirklichkeit vom Prospekttext abweicht, stellt sich häufig erst dann heraus, wenn es schon zu spät ist. Christian Werner: "Deshalb besuchen wir alljährlich jedes der angeführten Häuser persönlich und berichten darüber mit gewissenhaft errechneten Bewertungen."

Die besten Hotels werden mit bis zu vier Relax-Lilien ausgezeichnet, die haben 13 Betriebe geschafft, darunter das Stadt Hamburg auf Sylt sowie die Traube Tonbach in Baiersbronn (Baden-Württemberg). "Aber auch viele andere Häuser sind empfehlenswert", so Werner, "schon deshalb, weil jeder Gast andere Bedürfnisse hat." 54 Prozent von Deutschlands Betrieben konnten die Testkriterien allerdings nicht erfüllen.