Alkoholgenuss Alkoholgenuss: Weinforscher entwickeln Mittel gegen Korkgeschmack
Geisenheim/dpa. - Weintrinker fürchten den Moment: Der frisch geöffneten Flasche entströmt Modergeruch, der erste Schluck füllt die Mundhöhle mit muffigem Korkgeschmack. Trichloranisol (TCA) heißt die Substanz, die auch den teuersten Burgunder ungenießbar machen kann.
Nach Schätzung der deutschen Winzerwirtschaft findet sie sich in fünf bis zehn Prozent der Flaschen - trotz aller Versuche, sie zu bekämpfen. Bald aber könnte das Problem der Vergangenheit angehören, meint Wolf-Rüdiger Sponholz von der Wein-Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau. Er hat ein Verfahren entwickelt, das TCA gar nicht erst entstehen lässt.
Die unerwünschte Note ist Folge eines biochemischen Kriegs im Korken. Manche der darin lebenden Mikroorganismen greifen ihre Konkurrenten mit Trichlorphenol an - ein Gift, gegen das sich die Attackierten wehren, indem sie es kurzerhand in Trichloranisol umwandeln. Das ist zwar in diesen Konzentrationen nicht mehr schädlich, aber von so durchdringendem Geruch, dass schon die winzigste Spur genügt, einen Wein zu verderben.
Bisher versuchen die Korkhersteller, möglichst schon bei der Produktion die Kleinstlebewesen abzutöten, die später TCA erzeugen. Manche behandeln die Korken chemisch, andere mit Mikrowellen. Doch noch immer stöhnen Weinfachleute über «die unendliche Geschichte vom Korkgeschmack».
Sponholz wundert das nicht: «Die Korken werden mit Sicherheit wieder reinfiziert», sagt der Wissenschaftler. Selbst auf einem sterilisierten Korken würden sich bald wieder Mikroorganismen ansiedeln. Sein Gegenmittel setzt deshalb an einer anderen Stelle der Wirkungskette an: Das Eiweiß Suberase verkettet die TCA-Vorstufe Trichlorphenol zu Großmolekülen (Polymeren), die von den Mikroorganismen nicht mehr ungewandelt werden können - ohne Phenol kein TCA, und ohne TCA kein Korkgeschmack.
Dazu genügt es, eine Partie Korken in eine Waschtrommel mit Wasser, Alkohol, Essig und etwas Suberase zu geben. Nach einer Stunde läuft eine von den vielen Phenolverbindungen kaffeebraun gefärbte Brühe ab. Zwei mal klarspülen, und der Korken ist fertig zum Trocknen, Bedrucken und Einsetzen.
Seine Tauglichkeit hat das Verfahren längst gezeigt. Sponholz hat es bereits vor vier Jahren entwickelt - zunächst, um nur die Phenolverbindungen zu neutralisieren. Danach forschte er weiter und stellte fest, dass die Suberase auch den Mikroorganismen selbst zu Leibe rückt, den Korkgeschmack also gleich doppelt bekämpft.
Der Verband der Korkhersteller äußert sich gleichwohl zurückhaltend: «Alle Verfahren sind zu begrüßen, die dazu beitragen, den Naturkorken als Flaschenverschluss für Wein sicherer zu machen», sagt Geschäftsführer Helmuth Dieth. Schließlich sind Drehverschlüsse sowie Propfen aus Kunststoff und Glas auf dem Vormarsch.
Doch einstweilen dominiert beim Wein noch der Korken, vor allem in den höheren Preislagen. Von den gut zwei Milliarden Flaschen, die pro Jahr auf den deutschen Markt kommen, sind gut drei Viertel auf klassische Art verschlossen. Doch die Winzer klagten zunehmend über Geschmacksfehler, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Wein-Institut: «Wenn man mit Weinbauern spricht, hört man das allenthalben.»
Dass die Suberase das Korkproblem vollständig und endgültig löst, glaubt auch Sponholz nicht. 75 Prozent der Korken in deutschen Flaschen stammen aus den Korkeichenwäldern Portugals und Spaniens; wenn das TCA sich schon dort kurz nach der Ernte bilde, könne es die Suberase nicht mehr auswaschen. Für ihn ist deshalb klar, welche Fragen die Korkgeschmack-Forschung als Nächstes lösen muss: «Wir müssen die Sache an den Ursprung zurückverfolgen. Welchen Einfluss haben Baum, Ernte und das Abkochen der Korkplatten?»