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Accessoires Accessoires: Die Krawatte betont den Charakter

Von Eva Neumann 26.10.2004, 14:41

Hildesheim/Hamburg/Köln/dpa. - Sie haben keinen erkennbaren praktischen Nutzen, und viele Männer begreifen sie eher als Teil einer Uniform denn als eigenständiges Kleidungsstück. Personen in der Öffentlichkeit sind sich der Signalwirkung ihrer Krawatte oft bewusst.

Dabei würde es sich lohnen, dem kleinen Stoffstreifen auf der Brust etwas mehr Beachtung zu schenken. Sie seien das einzige Luxuselement der männlichen Kleidung, sagt Axel Venn, Professor für Farbgestaltung an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim.

Überraschenderweise erschien der republikanische US-Präsident George W. Bush dennoch zu zwei der drei TV-Rededuellen mit seinem Kontrahenten John Kerry mit einer blauen Krawatte - Blau gilt als Farbe der Demokraten, also des politischen Gegners. Kerry wiederum erschien jedes Mal mit rotem Schlips in präsidentiellem Schick. Beides sorgte weltweit für Aufsehen.

Doch ganz unabhängig von politischen Vorlieben hat jede Farbe ihre Grundpsychologie. Beispiel Rot: «Diese Farbe bringt viel emotionale Nähe und vermittelt Wärme», erklärt Venn. Sie stehe für Energie, Dynamik und Stärke. «Außerdem hat Rot eine hohe Signalwirkung. Sie kommt in der Natur selten vor und hebt sich deutlich vom Umfeld ab.»

Farbnuancen erfordern Fingerspitzengefühl: Scharlach wirkt würdevoll, Orange eher lebhaft. Blau steht für Sachlichkeit, Ruhe und Kühle. Leuchtendes Gelb vermittelt Heiterkeit, Grün wiederum ist die Farbe der Natur und Harmonie. Nur wenn die Farbe zum persönlichen Charakter passt, wird das Gesamtbild als stimmig wahrgenommen. «Die Menschen haben hier sehr feine Antennen», hält Experte Venn fest.

Neben dem Charakter ist der Anlass entscheidend. «Ein aufgeregtes Orange zu schwarzem Anzug und weißem Hemd kann auf der privaten Party oder im künstlerischen Umfeld toll aussehen. Das demonstriert unbändiges Temperament und Zukunftsorientierung», analysiert Venn. «Im konservativen Umfeld einer Bank ist eine solche Aufmachung dagegen fehl am Platze.»

Dort sind dezente Farben und unauffällige Muster angesagt. «Gerade auf der Management-Ebene kommt es darauf an, möglichst kompetent zu wirken. Das Gegenüber soll sich darauf konzentrieren, was der Herr spricht, und darf nicht von einer auffälligen Krawatte abgelenkt werden», warnt Imme Vogelsang, Etikette-Trainerin in Hamburg. Sie empfiehlt als Grundfarben gedeckte Töne wie Weinrot, Dunkelgrün oder Dunkelblau.

Doch auch feminine Nuancen sind inzwischen salonfähig geworden. «Lichtes Grün oder zartes Rosé spielen eine zunehmende Rolle. Solche Farben drücken Innovativität und hohe Empfindungsqualitäten aus», sagt Farbexperte Venn.

Während im privaten Umfeld auffällige Muster und großflächige Motive zum spannenden Blickfang werden können, wirken sie im geschäftlich-gesellschaftlichen Umfeld unpassend. «Gefragt sind hier möglichst feine Krawatten-Muster wie das klassische Hermès-Design oder auch Streifen», rät Etikette-Trainerin Vogelsang.

Doch sogar beim zurückhaltenden Design kann Mann Fehler machen. «Streifen dürfen nie quer oder längs verlaufen», sagt Farbspezialist Venn. Bei diagonalen Streifen gelte es, auf die Richtung zu achten: Sie müssen von links unten nach rechts oben gehen. «Dann symbolisieren sie Dynamik. In umgekehrter Richtung zeigen sie Ängstlichkeit und Fluchtgedanken.»

Streifen sind seit Jahren das dominierende Krawatten-Motiv. «Anfänglich sehr breite Streifen sind inzwischen feiner geworden. Außerdem werden mehr Kontrastfarben verwendet», erläutert Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts in Köln. «Im klassisch-konservativen Geschäftsleben spielen neben Streifen vor allem kleine, geometrische Muster eine Rolle: Karos oder Rauten setzen dezente Akzente». Es sei aber möglich, dass wieder eine Phase der organischen oder figürlichen Motive kommen könnte.

So eingeschränkt bei vielen beruflichen Anlässen die Wahl der Krawatte insgesamt ist - die Bedeutung des möglichst korrekt geknoteten Stoffstückes darf nicht unterschätzt werden. «Das Hemd und der Anzug oder das Jackett sind eher neutrale Ausdrucksmittel», sagt Müller-Thomkins. Nur mit der Krawatte sei individueller Ausdruck möglich.

Die Qual der Wahl nimmt der deutsche Mann aber nicht allzu häufig auf sich: «Nur etwa jeder vierte Mann ist durch sein Alter oder seine Funktion ein potenzieller Krawattenträger», sagt Friedrich Peschen, Geschäftsführer der Fachvereinigung Krawatten- und Schalindustrie in Krefeld. Statistisch gesehen kaufe sich jeder aus dieser Gruppe einmal im Jahr einen neuen Schlips, während sechs bis acht Modelle bereits im Schrank hängen. «Von diesen trägt er nur zwei oder drei wirklich regelmäßig.»