1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Zweiter Weltkrieg: Zweiter Weltkrieg: Kinder für das letzte Aufgebot

Zweiter Weltkrieg Zweiter Weltkrieg: Kinder für das letzte Aufgebot

Von Andreas Montag 13.04.2015, 06:51

Wenige Wochen vor Kriegsende wurde auch unser Leser Horst Lange noch zum Volkssturm eingezogen, dann für die Wehrmacht rekrutiert und in die Armee Wenck eingegliedert. Er war gerade erst 16 Jahre alt. Nachstehend veröffentlichen wir Auszüge aus seinen Erinnerungen.

Ab Mitte März wurde der Jahrgang 1929 eingezogen. Am 19. März 1945 musste ich mich in Bischofrode bei Eisleben in der Gaststätte „Urban“ melden. Noch davor, im Januar 1945, wurden Jugendliche unseres Ortes, die wie ich das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, zur Musterung nach Eisleben beordert. Das Schlimmste war: Wir mussten eine Kriegsfreiwilligenerklärung unterschreiben. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wer wollte denn zu dieser Zeit überhaupt noch in den Krieg ziehen? In Bischofrode, in der Gaststätte „Urban“, waren ca. 30 Jungen im Alter von 15 und 16 Jahren untergebracht. Wir alle schliefen im Saal der Gastwirtschaft. Die Ausbildung wurde von Unteroffizieren der Wehrmacht durchgeführt, die während des Krieges verwundet wurden und nicht mehr „fronttauglich“ waren.

Ich erinnere mich an einen Tag, an dem mich meine Eltern in Bischofrode besuchten. Mein Vater schärfte mir ein, ich solle doch von hier die Flucht ergreifen und nach Hause kommen. Sie würden mich schon ordentlich verstecken. Mich plagten Bedenken und so bin ich seiner Aufforderung nicht nachgekommen. Die Angst und die Wahrscheinlichkeit, von „Kettenhunden“ aufgegriffen und erschossen zu werden, waren zu groß.

Am 9. April 1945 rückten die amerikanischen Panzerspitzen bis zur Blankenheimer Schäferei – einem Punkt an der Straße zwischen Sangerhausen und Eisleben - vor und damit kam für uns der Befehl, das Gebiet zu verlassen. Am 10. April frühmorgens ging es zu Fuß von Bischofrode über Helfta, Unterrissdorf, Oberrissdorf, Schwittersdorf, Naundorf nach Salzmünde. Am Rande der Straße, ganz in der Nähe von Unterrissdorf, stand eine verlassene Flak-Batterie, anderen Orts brannten Scheunen und Strohdiemen.

Es war ein quälender Marsch. Immer wieder den Blick zum Himmel, ob wir nicht von amerikanischen oder englischen Flugzeugen gesichtet und beschossen werden. Seit dem Aufenthalt in Salzmünde erhielten wir Verpflegung wie alle anderen Militärangehörigen. Dazu zählten für 16-Jährige auch Zigaretten und Schnaps.

Von Salzmünde ging es zum Teil per Lkw und auch zu Fuß über Landsberg und Delitzsch nach Eilenburg. Dort steckte man uns, da sicher nichts anderes mehr da war, in Luftwaffenuniformen. Zu unserer Gefechtsausrüstung gehörte ein neues Schnellfeuergewehr, das SG 44, an welchem wir überhaupt keine Ausbildung erfahren hatten.

Ein neues Bataillon wurde formiert. Wir gehörten der bei Belzig stehenden 12. Armee unter dem Befehl des Generals der Panzertruppen Wenck an. In dieser Armee wurden Volkssturmeinheiten zusammengefasst, die auf Berlin marschieren sollten, um es vor dem Einrücken sowjetischer Truppen zu retten. Das konnte mit uns, fast noch Kindern, die auch keine gründliche Ausbildung erhalten hatten, nie erreicht werden...

Der Marsch in die Kriegsgefangenschaft ging des Nachts in Richtung Genthin, unter der Autobahn durch, am frühen Morgen durch Jerichow nach Fischbeck-Tangermünde. Wir mussten von Fischbeck nach Tangermünde die Elbe überqueren. Die Brücke war gesprengt. Bis zur Mitte des Flusses wurden wir von Fischern mit Booten befördert. Von da aus mussten wir über die Reste der Brücke klettern. Auf der anderen Seite nahmen uns die Amerikaner in Gefangenschaft.