Zweiter Weltkrieg Zweiter Weltkrieg: Dänische Menschenretter

halle (saale)/MZ - Dieses Geschichtskapitel ist wirklich zu Herzen gehend und hierzulande nur wenig bekannt. Es handelt von Mut und selbstverständlichem Einsatz für bedrohte jüdische Mitbürger in Dänemark zu Zeiten der Nazi-Barbarei. Vielleicht erklärt sich der Umstand, dass wir Deutschen nicht viel darüber wissen, auch aus der Scham, die den Zeitgenossen der Deportation und der Vernichtung der Juden später, nach dem „Zusammenbruch“, Münder und Ohren verschlossen hat.
Vor 70 Jahren, im Herbst 1943, hat sich die Rettungsaktion abgespielt, bei der es den Dänen gelang, die Juden ihres Landes vor dem Zugriff der NS-Behörden in Sicherheit zu bringen: Fischer brachten 7.000 der 8.000 dänischen Juden und jüdische Flüchtlinge aus Deutschland bei Nacht über den Öresund und das Kattegat in das neutrale, nicht besetzte Schweden.
Dänemarks Haltung zu Nazi-Deutschland wandelt sich 1943
Hatte die Regierung des Landes zu Beginn des Zweiten Weltkrieges aus taktischen Gründen noch eine eher wohlwollend-duldende Haltung gegenüber den Deutschen und ihrer Wehrmacht eingenommen, die Dänemark und Norwegen besetzt hielten, und eine restriktive Flüchtlingspolitik betrieben, wendete sich das Blatt 1943 nach der deutschen Niederlage von Stalingrad - zum Glück für die dänischen Juden, die so der Deportation in die nationalsozialistischen Vernichtungslager entgingen.
Die Rettungsaktion ist ein in Europa wohl beispielloses Zeugnis dafür, wie ein Volk seine liberalen Überzeugungen und seine christlichen Werte nicht nur behauptet, sondern im Augenblick, da es um das Leben unschuldiger Menschen geht, eben dafür einsteht - auch um den Preis, selbst in Gefahr zu geraten. Diese Geschichte erklärt zudem, woher die große, freundliche, selbstbewusste Gelassenheit unserer dänischen Nachbarn wohl auch rührt: Sie haben sich tapfer verhalten und Menschenrechte einfach durchgesetzt.
Freilich gehören zu einer solchen Aktion wie der Rettung der dänischen Juden viele Helden, einer von ihnen war ein deutscher Diplomat. Georg Ferdinand Duckwitz, 1904 in Bremen geboren, wo er 1973 auch gestorben ist, stammte aus einer alten Bremer Kaufmannsfamilie. Konservativ bis nationalistisch und einer schlagenden Studentenverbindung angehörend, war Duckwitz früh von den Ideen Adolf Hitlers begeistert gewesen, 1932 trat er der NSDAP bei und trug das Goldene Parteiabzeichen, das nur besonders treue Gefolgsleute des „Führers“ erhielten. Zeitweilig stand er der NS-Führung sehr nahe, wandte sich aber nach dem sogenannten Röhm-Putsch, bei dem sich Hitler 1934 unbequemer Parteigenossen blutig entledigt hatte, zunehmend ab von den Nazis und widmete sich Kaufmannsgeschäften.
Duckwitz handelte und nahm Kontakt zu Schweden auf
Während des Krieges in Dänemark tätig, kam Duckwitz dann in den Dienst des Auswärtigen Amtes. So erfuhr er durch den Reichsbevollmächtigten für Dänemark, Werner Best, vom Beschluss, die dänischen Juden zu deportieren, und handelte. Duckwitz, der auch mit den Widerständlern um Stauffenberg in Verbindung stand, nahm Kontakt zu schwedischen Stellen auf, um die jüdischen Flüchtlinge anzukündigen und arbeitete dabei offensichtlich eng mit Vertretern der dänischen Kirche zusammen, die wesentlichen Anteil an der Planung und Durchführung der Rettungsaktion hatte.
Unlängst hat der Deutschlandfunk in seiner Sendung „Tag für Tag“, die sich Themen aus Kirche und Gesellschaft widmet, über die Courage der dänischen Christen berichtet. In einem Hirtenbrief, der am 29. September 1943 von den Kanzeln verlesen wurde, hatten sich die Bischöfe des Landes in aller Deutlichkeit gegen die Judenverfolgung ausgesprochen.
"Gewissheit, nicht umsonst auf der Welt zu sein"
„Ungeachtet unterschiedlicher religiöser Überzeugungen wollen wir dafür kämpfen, dass unsere jüdischen Brüder und Schwestern die gleiche Freiheit bewahren, die wir höher schätzen als das Leben“, heißt es in dem Text. Und nachdem er vorgetragen worden war, sangen die Gemeinden Martin Luthers Kirchenlied „Ein feste Burg ist unser Gott“, die Hymne des Protestantismus. Die Retter der Juden, dänische Fischer, die mit ihren Booten nach Schweden fuhren, mögen in der Mehrzahl namenlos geblieben sein, in der israelischen Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem aber wird an ihre Tat erinnert.
Ebenso an Georg Ferdinand Duckwitz, der 1971 als Gerechter unter den Völkern geehrt worden ist. Später hat er über die Rettung notiert: „Als ich die Nachricht erhielt, hatte ich einen jener seltenen glücklichen Augenblicke in meinem Leben, die mir die wohltuende Gewissheit gaben, nicht umsonst auf der Welt zu sein.“