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Zum Tod von Johnny Cash Zum Tod von Johnny Cash: Tapferer Querkopf hat seinen letzten Kampf bestanden

Von Andreas Montag 12.09.2003, 18:14

Halle/MZ. - Nun sollen Engelscharen und Trompetenchöre hell aufspielen für ihn - in jener besseren Welt, deren Verheißung der tapfere, tief religiöse Querkopf immer auch ganz irdisch begriffen hat: Solange es noch Krieg und Armut gibt, wolle er bei seinen Auftritten nur Schwarz tragen, hatte er vor mehr als dreißig Jahren beschlossen. Das hielt er eisern. Am Freitag, nur wenige Monate nach dem Tod seiner großen Liebe June Carter, ist der Sänger und Songschreiber Johnny Cash in Nashville, Texas, gestorben. Er wurde 71 Jahre alt.

Als "The Man Comes Around", das letzte von vier Alben in der 1994 begonnenen Reihe "American Recordings", vor knapp einem Jahr erschien, glaubte man, ein Requiem zu hören. Die Songs wirkten wie ein Testament des schwer Kranken - und sind dabei von solch heiterer Leichtigkeit, dass es einen im Herzen rührt. Hier, hörst du, hat einer die Angst überwunden.

Die Stücke, eigene wie auch Cover-Versionen, geraten in Cashs brüchiger, oft atemloser Interpretation zu einer großen Beichte, zum Zwiegespräch mit Gott und dem eigenen Leben. Selbst ein so hoffnungslos abgespielter Evergreen wie "Brigde Over Troubled Water" glänzt mit einem Mal wie neu und bei dem irischen Volkslied "Danny Boy" knarzt Cashs Stimme derart innig, dass man sich in eine Trauerhalle versetzt fühlt, um Abschied zu nehmen von einem nahen Freund. Nun also von ihm selbst: Johnny Cash.

In den USA haben gestern viele Radio- und Fernsehstationen ihre Programme unterbrochen, um seinen Tod zu melden. Wohl lag der alte Country-Barde nicht immer auf der Linie seiner Fans, aber gerade das hat ihn ja ausgezeichnet und ihm Respekt eingetragen. Als junger Mann arbeitete er wie ein Pferd für seine Karriere und wäre beinahe an Drogen zugrunde gegangen. June Carter, seine zweite Frau und langjährige Bühnenpartnerin, hat ihn aus dem Dreck geholt. Es ging steil aufwärts: Plattenerfolge, Tourneen, eine eigene Fernsehshow. Hätte der 1932 in Kingsland, Arkansas, als Sohn eines Baumwollfarmers Geborene den Erfolgsfaden von Lagerfeuer-Idyll und "Ring Of Fire" nur fortgesponnen, wäre er einer unter anderen gewesen. Und irgendwann vergessen worden.

Aber er war immer ein Dickschädel. Ein Kämpfer, der sich nie für eine Partei festlegen oder gar vereinnahmen ließ. Der Cash unter den anderen. Ein Gläubiger, über dessen Frömmigkeit manchmal gewitzelt wurde. Der Blues-Mann im Country-Pelz. Der, der den neunmalklugen, geldgeilen Plattenbossen den Stinkefinger zeigt. Nur folgerichtig, dass sich jüngere Leute des Pop in den alten Zausel verliebten. Das Publikum hat es ihnen später gleich getan, weltweit.

Was 1993 mit einem eher zufälligen Gastspiel auf einer U 2-Platte angefangen hatte, wuchs sich rasch zum musikalischen Ereignis aus. Der Produzent Rick Rubin, eigentlich mit härteren Sachen als Folk unterwegs, überredete Cash dazu, die "American Recording"-Aufnahmen zu machen - mit Songs von marmorner Schönheit. An einer Nervenkrankheit und an Diabetes leidend, sind dem Sänger die Jahre nicht leicht gewesen. Man hört es seinen Liedern an. Nun hat er seinen letzten Kampf bestanden.