Zum Tod von Heinz Knobloch Zum Tod von Heinz Knobloch: «Ich sehe was, was du nicht siehst, damit du es siehst»
Halle/MZ. - Es war mit ihm nicht immer gut Kirschen essen, aber die Kirschen, die er servierte, waren am Ende von besonderer Farbe, Schönheit und Kraft. Heinz Knobloch, Ostdeutschlands dienstältester Feuilletonist, trug nach außen hin ein anstrengendes Naturell. Das brachte sein Auftrag mit sich: misstrauisch sein und hartnäckig, einer, der nicht abzuspeisen ist.
Knobloch konnte die Dinge zum Tanzen bringen, er streichelte und liebte, was er entdeckte: "Meine liebste Mathilde", "Die Suppenlina", "Herrn Moses in Berlin". Er war detailbesessen und pingelig bis zur Unhöflichkeit. Hatte Heinz Knobloch Humor? Er hatte unendlich viel Zartheit, viel Ironie, auch Humorigkeit, aber das Lustige ging ihm doch eigentlich ab. Er hatte ein Auge für die Komik, aber mehr noch für den Ernst des Lebens. Und er hatte feste Begriffe. Keine Erscheinung ohne Kommentar.
Unvergessen: Berlin-Mitte, Sommer 1994. Knobloch soll fotografiert werden für diese Zeitung. Das hasst er ja schon mal: fotografiert werden. Ist er die Garbo? Aber Berlin, na klar, die alte Kulisse! Da steht er dann Unter den Linden, aber nichts ist ihm als Hintergrund genehm. König Fritz, undiskutabel, ein Monarch, der Kriege führte. Die Neue Wache? Kein Mahnmal für Deserteure. Das Zeughaus? Knobloch ist Pazifist. Die gelbe Schlossattrappe? Knobloch wünscht sich von Herzen, dass das Projekt scheitern möge aus Geldmangel.
Heute gilt Heinz Knobloch, der über 50 Bücher veröffentlichte, als ein Chronist Berlins. Dabei ist er gebürtiger Dresdner, sein Erinnerungsbuch "Eierschecke" erzählt davon. Aber zuweilen waren ja die Sachsen die besseren Preußen. Dabei hatte Knobloch, Jahrgang 1926, mit Preußen nicht viel am Hut.
Kindheit in Sachsen, nach Berlin umgetopft 1935, zum Krieg einberufen mit 17, Juli 1944 übergelaufen zu den Amerikanern, Gefangenschaft, 1948 Rückkehr nach Berlin, Fernstudium der Journalistik in Leipzig, Diplomarbeit zur Pointierung in den Feuilletons von Aubertin und dann: Redakteur der Berliner "Wochenpost", über 1500 Mal die legendäre Feuilletonkolumne "Mit beiden Augen".
Was ein Feuilleton ist, definierte Knobloch 1964 so: "Das Feuilleton passt auf den Menschen auf, indem es ihn unterhält. Wenn es dabei an die heiligsten Güter rührt, ist es aus Zartgefühl verletzend." Das ist pädagogische Poesie und eben auch das: poetische Pädagogik. Einer der Leipziger Lehrer Knoblochs hieß Reiner Kunze, ein Herzensläuterer auch der. Knobloch geht es um Neugier und Wachheit. "Misstraut den Grünanlagen" lautet der erste Satz seines Buches über Moses Mendelssohn, den jüdischen Philosophen in Berlin, als Selbstdenker ein Preuße nach Knobloch-Maß. "Die Leute sagen immer Grünfläche, aber all das ist angelegt." Wer mit Knoblochs Augen sah, blickte wie durch einen Röntgenapparat auf die Gegenwart: die Zeit hinter der Zeit. Knobloch sagte es so: "Ich sehe, was du nicht siehst, damit du es siehst".
Eine Leserin schrieb ihm in die "Wochenpost": "Das, was Sie dort machen, ist das Lächeln der Zeitung". Er war der letzte Beste einer alten Kunst Faches. Am Donnerstag ist Heinz Knobloch im Alter von 77 Jahren in Berlin gestorben.