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Zum Tod von Hanns Cibulka Zum Tod von Hanns Cibulka: Scharfsichtiger Fatalist gab die Hoffnung nicht preis

Von Andreas Montag 21.06.2004, 17:14

Gotha/MZ. - Es ist ein langes, gutes Gespräch geworden. Eines, das nun auf ganz besondere, schmerzliche Weise in Erinnerung bleiben muss. Am Sonntag, fast vier Jahre nach dieser Begegnung, ist der Schriftsteller Hanns Cibulka in Gotha gestorben.

Er ist von bemerkenswerter Statur gewesen, im Äußeren wie dem Charakter nach: aufrecht, knorrig, unbiegsam. Als Schulkind bewunderte ich, der Bücher wie Brot begehrte, den Bibliothekar Cibulka schon allein für seine schier unglaubliche Belesenheit. Seine Bildung (und die davon rührende, respektgebietende Strenge) ragten in den 60er, frühen 70er Jahren in der DDR-Provinz als Zeichen einer gar nicht musealen Bürgerlichkeit heraus, für die sich in Cibulkas Generation wohl noch andere Zeugen finden ließen - aber wenige, die sie so entschieden lebten wie er. Natürlich haben wir Nachgeborenen zunächst nur wenig von dem gewusst (und noch weniger verstanden), das Cibulkas Leben und Schreiben geprägt hat. Geboren am 20. September 1920 in Jägerndorf (heute Krnov), Mähren, war er mit 19 Jahren gerade alt genug, um in das Schlachten des Zweiten Weltkriegs geschickt zu werden.

Glücklich zurück nach dreijähriger amerikanischer Gefangenschaft auf Sizilien, siedelte sich Cibulka in Thüringen an. Die Orte seines Herkommens waren mit der vollzogenen Vertreibung zur Erinnerungslandschaft geworden, die Sprache hat ihm den Raum für eine neue, seine lebenslange Heimat eröffnet. Lesend spürt man, wie genau er seine Texte prüfte, wie oft er sich, schon schreibend, des Gedachten noch einmal versicherte. Das war es auch, was er von anderen erwartete: Nicht Fehler empörten ihn, aber Ungenauigkeit, Lüge und Unlust bei der Arbeit am Wort.

Mit Lyrik zunächst, später besonders mit tagebuchartiger Prosa hat sich Hanns Cibulka eine rasch wachsende, treue Anhängerschaft erworben. Dieser Autor war anders als viele andere, das fiel schon auf im Leseland DDR: Er rief nicht hurra, das Laute war ihm suspekt. Seine verfremdeten, aber erkennbar auf das Ich bezogenen Prosa-Erkundungen haben Menschen einen Blick ins Innere gelehrt.

Mit Büchern wie "Das Buch Ruth", "Swantow", "Sonnenflecken über Pisa" und den erst in diesem Jahr bei Reclam Leipzig erschienenen Notaten "Späte Jahre" wird er bei uns bleiben - als ein Skeptiker und Fatalist, der seine große Hoffnung niemals preisgeben wollte.