Zum Tod von Carlos Kleiber Zum Tod von Carlos Kleiber: Sehnsucht nach den Schatten jenseits des Rampenlichtes
Halle/MZ/ahi. - Sein Ruf als eigensinnigesGenie hat er zeitlebens gepflegt, in allerStille ist er nun auch gestorben: Als dieNachricht vom Tode des Dirigenten Carlos Kleibergestern öffentlich wurde, war der Künstlerbereits beigesetzt worden. Und wie ein letzterRückzug vor seinen Verehrern wirkte die Tatsache,dass der Künstler im slowenischen Ort Konjsicabeerdigt werden wollte - in der Heimat seinerMutter und seiner im vergangenen Jahr verstorbenenFrau. Und zugleich an einem Ort, wo ihn derTotenkult der Klassik-Gemeinde wohl kaum erreichenwird.
Der entzog er sich seit einem Konzertin Italien 1999 ohnehin, nachdem er seinenletzten deutschen Auftritt gar schon 1996absolviert hatte. Kleiber, der das dienendeNachempfinden der Musik stets auf die Höheeiner eigenen Schöpfung treiben wollte, warbereits zu seinen Lebzeiten im Reich der Mythenangelangt. Ein schmales, immer wieder ausgelotetesRepertoire der Sinfonik von Beethoven, Brahmsund Schubert stand bei ihm einer handverlesenenZahl von Opern gegenüber, denen er seine ganzeAufmerksamkeit schenkte. Wagners "Tristanund Isolde" und Verdis "La Traviata", Webers"Freischütz" und Bergs "Wozzeck" zählten zuden Stücken, die Gnade vor Kleibers Blickfanden. Und die er sich stets neu erobernmusste.
Denn selbst wenn es einem Intendanten odereinem Orchester-Manager gelungen war, densündhaft teuren Star für eine Produktion zuverpflichten, bedeutete dies keinesfalls einePremieren-Garantie. Der als Sohn des DirigentenErich Kleiber 1930 in Berlin geborene undvom Vater zunächst zum Chemiestudium gedrängteKünstler war für seinen manischen Perfektionismusberühmt - und riskierte im Zweifel lieberVertragsstrafen als das gefürchtete Mittelmaß.
Dass sich die besten Orchester der Welt dennochum Carlos Kleiber rissen, dass ihm die Türender Mailänder Scala und der Wiener Staatsoperstets offen standen, spricht für die Ausnahme-Begabungdieses Musikers. Und dass der als "vulkanischesElement" gefeierte Kleiber für ein Neujahrskonzertauch Wiener Walzer veredelte oder eine Gesamtaufnahmeder Operette "Die Fledermaus" vorlegte, warein Beleg für sein Desinteresse an den traditionellenGrenzen zwischen "E" und "U".
Dokumentiert immerhin ist das Werk Kleibers,der seine Kapellmeister-Karriere 1954 übrigensin Potsdam begonnen hatte und danach u. a.feste Engagements in Zürich, Stuttgart undWien einging, auf einer Fülle von Mitschnitten.Sie werden bleiben - und vom Werk eines Manneszeugen, dessen Verweigerung im Starrummelin der Klassikbranche durchaus im positivenSinne auffällig war.
DVD-Tipp: Carlos Kleiber - bei der Probeund im Konzert, Naxos Deutschland