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Zum 100. Geburtstag von Marlene Dietrich Zum 100. Geburtstag von Marlene Dietrich: Sag mir, wo die Blumen sind

Von Peter Gärtner 26.12.2001, 17:20

Berlin/MZ. - In dem Haus mit der grauen Fassade, in demder deutsche Weltstar die ersten Lebensjahreverbrachte, reagieren die Mieter auf Fragenziemlich zugeknöpft. Früher, als die Leber-noch Sedanstraße hieß, hätten sie hier janicht gewohnt. Auch die Schöneberger Kolonnenstraße,in die der preußische Polizeioffizier LouisErich Otto Dietrich und seine Frau Josefinedanach zogen, ist nicht schöner. An dem MietshausNummer 48/49 fehlt jeglicher Hinweis. In derVideothek im Erdgeschoss reibt man sich verwundertdie Augen.

Wer sich in Berlin auf Spurensuche nach derKünstlerin begibt, der kommt nicht weit. Esgibt fast keine Fingerzeige, kein Museum odereinen festen Ort der Erinnerung. In Schönebergist nicht einmal eine Straße nach ihr benannt.Nur am Potsdamer Platz findet man seit wenigenJahren den Marlene-Dietrich-Platz und im Filmmuseumum die Ecke Erinnerungsstücke. Die Fans unddie im "Kurt-Schumacher-Kreis" organisiertenWiderstandskämpfer gegen die NS- und SED-Diktaturhalten dies nicht für einen Zufall: Bis heutescheine Marlene Dietrich in weiten Kreisennoch immer als "Vaterlandsverräterin" zu gelten,weil sie sich entschieden gegen Hitler stellteund für einen schnellen Sieg der Alliiertenengagierte, "damit hüben und drüben keinejungen Männer mehr sterben müssen", wie esdie spätere Interpretin des Anti-Kriegs-Liedes"Sag mir, wo die Blumen sind", damals formulierte.

In Deutschland habe sie bis heute dafür niedie Anerkennung erfahren, die ihr im Auslandzuteil wurde, heißt es in einer Erklärungder "Vereinigung bewährter Demokraten" anlässlichdes 100. Geburtstages. Im Gegenteil: In den50ern und auch später sei sie "ausgesprochenschlecht behandelt" worden. Die NS-Gegnerweisen darauf hin, dass die Dietrich ihrenguten Ruf auch in der Nachkriegszeit gezielteinsetzte - gegenüber der Roten Armee, umdie Übergriffe auf die Berliner zu stoppen,und gegenüber den West-Alliierten, die siebeschwor, den Westteil nie aufzugeben. Dochin Berlin wird ihr Einsatz für Menschenrechtebis heute kaum gewürdigt. Davon kann auchFred Ostrowski viele Lieder singen. "Die altenRessentiments sind noch sehr stark", bilanziertder Dietrich-Experte bitter. Sein Vorschlag,Marlene Dietrich zum 90. Geburtstag zur Ehrenbürgerinzu machen, wurde vom damaligen RegierungschefEberhard Diepgen (CDU) mit Desinteresse quittiert.Auch der Versuch, mit Unterstützung des Landesin der Leberstraße ein Museum einzurichten,scheiterte.

Dass der politisch aktive Star dennoch vieleFans in der Hauptstadt hat, kann man auf demFriedhof in der Stubenrauchstraße beobachten.Das Grab ist stets reichlich geschmückt. Auchder Bundespräsident wird hier heute einenKranz niederlegen. Die US-Bürgerin, die 1992in Paris 90-jährig starb - von eigener Hand,wie ihre Vertraute Norma Bosquet behauptet-, wollte unbedingt in Schöneberg begrabensein. Immerhin ist Marlene Dietrich, der dieNazis 1938 die deutsche Staatsbürgerschaftentzogen, in die "Gedenkstätte Deutscher Widerstand"aufgenommen worden.