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Kulturpalast in Bitterfeld Zukunft des Kulturpalastes in Bitterfeld: Schüler erarbeiten Vorschläge für Nutzung

Von Günter Kowa 16.09.2018, 10:00
Sollte schon zum Abriss freigegeben werden: der Kulturpalast Bitterfeld.
Sollte schon zum Abriss freigegeben werden: der Kulturpalast Bitterfeld. André Kehrer

Bitterfeld-Wolfen - Vor mehr als zwei Jahren stellte die Chemiepark-Gesellschaft Bitterfeld Abrissantrag für den leer stehenden Kulturpalast, und seitdem hängt das Schicksal dieses Baudenkmals aus den Pionierzeiten der DDR in der Schwebe.

Daran haben verschiedene Initiativen nichts geändert, sei es von örtlichen Traditionsvereinen, sei es durch Vorstöße von Akteuren der Musikszene und Eventkultur.

Kulturpalast in Bitterfeld: Was hat es mit dem Abrissantrag auf sich?

Es sieht aber ganz danach aus, als ob schon bald ein neues Kapitel aufgeschlagen wird. Dass das so ist, schrieb der Chef der Chemieparkgesellschaft, Patrice Heine, bei einer Präsentation am Freitag in Sichtweite des Palastes eben seinem Abrissantrag zu.

„Das war genau der Impuls, den wir hier noch brauchten.“ Bisher allerdings musste man als Beobachter den Eindruck gewinnen, der Abrissantrag sei wortgetreu und nicht anders gemeint.

Schüler aus Wolfen entwickeln Ideen für Nutzung des Kulturpalastes Bitterfeld

Sinneswandel oder nicht, jedenfalls hat er das traditionsreiche Haus in der vergangenen Woche einer Gruppe von Interessenten geöffnet, für die der Kulturpalast ein Objekt von einem fremden Stern war. Vom „Bitterfelder Weg“ hatte sie nie gehört, der dort 1961 zum Dogma kulturellen Schaffens erklärt wurde.

Man kann auch sagen, die fast 20-köpfige Schar von Projekt-Teilnehmern aus dem Wolfener Heinrich-Heine-Gymnasium ging ganz einfach unbelastet und scheuklappenfrei an die Aufgabe, die ihnen von Kunstlehrer Volker Neuholz gestellt worden war: Aus Sicht von Teenagern von heute Ideen für das Theaterbauwerk zu entwickeln, das einst als Tempel der Arbeiterkultur erbaut worden war.

Schüler entwickeln Ideen für Kulturpalast Bitterfeld: Agenturen und Architekten hören gespannt zu

Auf sich allein gestellt waren sie keineswegs. Aus Halle war das Landesamt für Denkmalpflege vertreten, und das Format der „Zukunftswerkstatt“ ging auf die Berliner Akademie der Künste zurück, vertreten durch die Architekten Theresa Schütz und Michael Bräuer.

Doch es sorgte auch einer dafür, das Projekt nicht nur als Fantasie zu betrachten: Matthias Goßler, Inhaber der in Sandersdorf und Berlin angesiedelten „Splitter“-Agentur.

Gibt es einen neuen Käufer für den Kulturpalast Bitterfeld?

Eigenen Angaben zufolge bespielt diese „Manufaktur für Veranstaltungen“ seit 21 Jahren Häuser in ganz Deutschland. „Wir können den Bedarf gar nicht decken“, sagt Goßler, der schon deshalb in seinem Portfolio einen Platz für den Kulturpalast sieht.

Er könne sich vorstellen, ihn zu kaufen und trotz der zu erwartenden „immensen Nebenkosten“ wieder ins Spiel zu bringen. „Wir trauen uns das zu, weil wir mit Personal und Technik versorgt sind. Wir schließen für uns eine Lücke.“

Schüler träumen davon, ihre Idole in den Kulturpalast Bitterfeld zu holen

Doch vielleicht ist es nun die Begeisterung der Jugendlichen an ihrer ureigenen Wieder-Entdeckung des alten Kastens, dass solches Wohlwollen zielgerichtete Aktivität werden kann. Sie hatten zum Abschluss ihrer Projektwoche Gelegenheit, ihre in Untergruppen aufgeteilten Planspiele in teils fast schon professionellen Modellen vorzustellen.

„Alter Saal in neuer Frische“, hieß es da, oder „Kleine Räume, Große Wirkung“: Gegensatzpaare, die das ungehobene Potenzial des Kulturpalasts für eine neue Generation erkennen ließen. Die Gemeinde der You-Tuber, Gamer, Influencer träumt davon, ihre Idole in die vergessene Kulturstätte zu holen und noch den ärgsten Muff darin irgendwie cool zu finden.

Ein Vorschlag der Schüler: In den Kulturpalast Bitterfeld kommt eine Disco

So stellen sich Anna, Charlotte, Lara, Erik, Xaver, Henrik und Jonathan vor, die Haupt- und Hinterbühne in eine Disco mit Bar samt Galerie für Mischpult zu verwandeln. Loreen und Johanna wollen den Großen Saal frei räumen und allerlei originelle, transportable Sitzmöglichkeiten darin verteilen.

Juliana, Lucas und Shirley schlagen für den Saal alternativ einen flachen, geraden Boden vor und eine niedrigere Bühne, damit „die da droben nicht auf die da unten herabschauen“ und das Publikum wie heute üblich im Stehen dabei sein kann.

Schüler schlagen vor: Ein Kino für den Kulturpalast Bitterfeld

Saskia, Annika und Marie wollen eine Kinoleinwand in den Kleinen Saal holen, die Wände teils farbig mustern und die Kinosessel aus dem Großen Saal zwanglos verteilen.

Ihr Vorschlag hatte mit dem von Lea, Sammy, Ben und Ansgar ein gewisses Deja-vu gemeinsam, das Michael Bräuer mit dem Satz auf den Punkt brachte: „Ihr habt die Idee des Kulturpalasts auf die heutige Zeit angepasst.“

Zukunft des Kulturpalastes Bitterfeld: Auch Senioren sollen mit berücksichtigt werden

Sie nämlich widmeten sich der schwierigen Frage, was mit den zahllosen kleinen Nebenräumen anzufangen sei, die ursprünglich den Mal-, Theater- und sonstigen Zirkeln vorbehalten waren.

Da finden sich dann nicht nur die erwartbaren Lokalitäten für Computer-, Spiele-, Technik- und Fitnessfreaks, sondern auch ein „Filmarchiv“ soll es geben, Kunstateliers, Kochkurse und auch was „für ältere Leute“, freilich im Sinne von einer Gemeinschaft mit den jüngeren.

Zukunft des Kulturpalastes Bitterfeld: Neue Seitenwände aus Glas?

Auch zur Betriebsfrage gab es Vorstellungen: Die Angebote könnten in einem „Klub“ organisiert werden, bei dem man für einen monatlichen Beitrag Mitglied und nach Gutdünken seine Zeit verbringen könne. Auch schlugen sie ein „Info-Zentrum für die Region“ vor, das den Ortsfremden Tips geben könne, was es in Bitterfeld „außer dem Kulturpalast“ sonst noch gibt.

Nebenbei ging aus dem Modell auch noch ein bemerkenswerter innenarchitektonischer Vorschlag hervor. So sollten die Seitenwände der Flure verglast werden, um den Blick zur Bühne und zum Saal zu öffnen. Einem neuen Blick auf den Kulturpalast steht nun sowieso nichts mehr im Wege. (mz)

Schüler des Wolfener Heinrich-Heine Gymnasiums haben am Freitag ihre Ideen für eine künftige Nutzung des Bitterfelder Kulturpalastes präsentiert.
Schüler des Wolfener Heinrich-Heine Gymnasiums haben am Freitag ihre Ideen für eine künftige Nutzung des Bitterfelder Kulturpalastes präsentiert.
André Kehrer