Zeitgeschichte Zeitgeschichte: Die vergessenen Kämpfer des spanischen Bürgerkrieges

Halle (Saale) - Das Lied kennt jeder, der im Osten Deutschlands aufgewachsen ist. Wer jemals Soldat der Nationalen Volksarmee, kurz NVA, war, hat es beim Marsch zum Suppe-Fassen auf dem Kasernengelände unzählige Male mit der Kolonne gebrüllt: „Spaniens Himmel breitet seine Sterne über unsre Schützengräben aus“. Geliebt war das Lied nicht, sonderlich nahe ging es wohl keinem der Rekruten.
Dabei ist das Werk, unvergesslich interpretiert von Ernst Busch, wirklich bleibend. Und es war eine Ikone der DDR-Propaganda: Wie die Spanienkämpfer sollten wir sein, so furchtlos und unerschrocken, um Freiheit und Menschenrecht zu erkämpfen. Aber die NVA war nicht die Institution, in der man solche Ideale verwirklicht sah. Stumpfer Drill und menschliche Herabwürdigung standen dort auf der Tagesordnung, ein Großteil des mittleren Führungspersonals war von ebenso großer Niedertracht wie Dummheit.
Der spanische Bürgerkrieg indes, um den es in dem Lied geht, ist damals nur folgerichtig falsch - oder doch nicht umfassend dargestellt worden. Wie auch: Hätte man doch sonst die Lichtgestalten der Internationalen Brigaden, die im Auftrag der Kommunistischen Internationale in Spanien unterwegs waren, um die Republik gegen den faschistischen Putschisten Franco zu verteidigen, ein bisschen genauer ansehen müssen. Viele Idealisten waren darunter, die ihr Leben gaben, allerdings.
Aber so, wie der spanische Bürgerkrieg den Strategen Hitlers als Testfall für den bevorstehenden, großen Krieg diente, haben auch die kommunistischen Lenker auf der Gegenseite ihren Part mit Kaderfunktionären, Kommissaren und brutaler Disziplinierung durchgespielt.
Wehrmacht war beteiligt
Die deutsche Wehrmacht operierte (ohne Hoheitsabzeichen) mit der Legion Condor in Spanien und hatte wesentlichen Anteil daran, dass Franco 1939 gewann. Das Regime des Mannes, der sich als Staatsoberhaupt dann El Caudillo de España (Der Führer von Spanien) nannte, hat bis zu seinem Tode im Jahre 1975 bestanden. Erst 1977 durften die Spanier zum ersten Mal seit 1936 wieder in freien Wahlen ihre Volksvertreter bestimmen.
Auf republikanischer Seite, in den Reihen der Internationalen Brigaden, kämpften auch etwa 5.000 Deutsche, 2.000 von ihnen sind gefallen. Sie waren Emigranten, die vor den Nationalsozialisten aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen und vor allem in Frankreich, aber auch im sowjetischen Exil lebten. Einige von ihnen, darunter der kommunistische Schriftsteller Friedrich Wolf, flohen faktisch aus der Sowjetunion nach Frankreich und Spanien, um auf diese Weise dem stalinistischen Terror, der gerade seinen Höhepunkt erreichte, zu entgehen.
Schweigen über Anarchisten
Nach ihrer Niederlage stand den Verteidigern der spanischen Republik ein schweres Schicksal bevor: Sie wurden in spanischen und französischen Lagern interniert, viele an Deutschland ausgeliefert, wo ihnen KZ-Haft bevorstand. Anderen gelang die Flucht. Ihre Geschichte ist zum Mythos in der DDR geworden, Bücher und Filme (darunter die Fernsehproduktion „Hans Beimler, Kamerad“) bauten die Spanienkämpfer zu Helden auf, die sie gewiss auch waren. Allerdings wurde aus politischer Räson der historische Kontext eben stark vereinfacht dargestellt und durch Verschweigen des Stalinismus-Komplexes auch grob verfälscht.
Über eine der Gruppen, die wesentlichen Anteil am Kampf gegen den Putschgeneral Franco hatten, ist allerdings totales Stillschweigen verhängt worden - mit Erfolg: Von den spanischen Anarchisten spricht niemand mehr, jedenfalls in Deutschland nicht. Das Wort Anarchismus hat ohnehin keinen guten Klang. Was soll man an Menschen, die sich dazu bekennen, gut finden?, denkt man landläufig.
Radikal anderer Ansatz
Nun, es wäre immerhin der Mut zu nennen, einen radikal anderen Ansatz in der Gesellschaftsutopie verfolgt zu haben, als der Kommunismus stalinistischer Fasson oder eben der Faschismus. Traditionell war der Anarchismus stark in Spanien - mit Folgen auch für den Kampf im Bürgerkrieg.
Nicht nur das Geld, das man wegen der Besitzgier, die es erzeugt, in der Tat als Übel ansehen kann, hatten die anarchistischen Verbände teilweise zumindest abgeschafft, sondern auch die militärüblichen Kommandostrukturen. Der Kommandant wurde gewählt, was den auf Kaderstrukturen eingeschworenen Kommunisten nicht gefallen konnte.
Am Ende wurden die Anarchisten von beiden Kriegsparteien gehasst, der niemals aufgeklärte Tod des Buenaventura Durruti steht als Symbol dafür. Waren es Franquisten, waren es Stalins Kommissare, die ihn in Madrid erschossen? Hans Magnus Enzensberger hat 1977 einen großartigen Roman darüber geschrieben: „Der kurze Sommer der Anarchie“. Aber auch der ist wohl weitgehend vergessen.
(mz)