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Wolfgang Schaller Wolfgang Schaller: Vier Jahrzehnte Dresdner Kabarett «Herkuleskeule»

08.04.2010, 09:08
Der Chef des Dresdner Kabaretts «Herkuleskeule», Wolfgang Schaller, steht an einem Gipskopf, den eine Axt spaltet (FOTO: DPA)
Der Chef des Dresdner Kabaretts «Herkuleskeule», Wolfgang Schaller, steht an einem Gipskopf, den eine Axt spaltet (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Dresden/ddp. - In Wolfgang Schallers Büro im DresdnerKabarett-Theater «Die Herkuleskeule» sieht es ein bisschen so aus,als wäre die Zeit stehengeblieben. An die alte Holzwand sindzahlreiche Programm-Plakate gepinnt, die Einrichtung versprüht, wennman so will, noch immer ein wenig Ost-Charme. Der Eindruck trügtjedoch: Für Intendant Wolfgang Schaller ist viel Zeit vergangen, seiter angefangen hat, in der «Herkuleskeule» zu arbeiten. Aus einerursprünglich zeitlich befristeten Dramaturgen-Vertretungsstelle sindschließlich vier Jahrzehnte geworden, in denen er das Ensemblemitprägte. Neben seinem beruflichen Jubiläum steht demnächst auch einprivates an.

Am 20. April feiert Schaller seinen 70. Geburtstag. Man glaubt esihm sofort, wenn er sagt, dass er nicht darüber nachdenkt, mit demKabarett aufzuhören - solange Kraft und Gesundheit noch für guteProduktionen reichen. Da auch seine Frau Birgit als Kabarettistin aufder Bühne steht, lassen sich Hobby und Beruf in seiner Familie «nierichtig trennen». Er könne nicht abschalten, selbst im Urlaub nicht,sagt Schaller. Manchmal drehe es sich bis in die Nachtstunden hineinnur um die Arbeit.

Zu DDR-Zeiten hat er auch fürs Fernsehen gearbeitet, in den 80erJahren entstand sein Film «Generalprobe». Aber «kritische Geister»hatten es im DDR-Fernsehen nicht leicht, wie Schaller sagt. In der«Herkuleskeule» war dies aus seiner Sicht immer anders. In denvergangenen Jahren hat er das Ensemble sichtbar verjüngt, so dass ersich um die Zukunft der «Herkuleskeule» keine Sorgen machen muss.

Schaller kam 1970 ins Ensemble, insbesondere seine mit PeterEnsikat geschriebenen Stücke machten die «Herkuleskeule» bekannt.Rückblickend sagt Schaller, «dass wir damals in den 80er Jahren mitunseren Stücken tiefer in den Wunden des Staates bohrten, als wir dasheute tun.» Zusammen mit Ensikat wurde Schaller 2009 dafür auch mitdem »Stern der Satire« auf dem Mainzer »Walk of Fame« des deutschenKabaretts ausgezeichnet. Er habe den Stil des sich «zum mutigsten undmodernsten Kabarett der DDR entwickelnden Ensembles» geprägt, hieß eszur Begründung.

Dass das «brisanteste Kabarett der DDR» in Dresden gespielt wurde,war kein Zufall, ist Schaller überzeugt. Es habe Funktionäre gegeben,die sich damals schützend vor das Kabarett stellten. Das sei nur inDresden so gewesen.

Zum Kabarett fand der 1940 in Breslau geborene Schaller schon alsJugendlicher. Schließlich war es für ihn auch «eine Möglichkeitkritische Texte auf die Bühne zu bringen und zu provozieren». Aus derheutigen Sicht sagt der 69-Jährige: «Das Kabarett hat mir einenPsychiater erspart, weil ich mir das, was mir an diesemvormundschaftlichen Staat zuwider war, von der Seele schreibenkonnte.»

Zunächst arbeitete Schaller als Lehrer für Deutsch und Musik inGörlitz und leitete ein Jugendkabarett. Von 1964 bis 1968 studierteer am Literaturinstitut in Leipzig. Seit 1970 arbeitete er dann alsDramaturg, Autor und kommissarischer Leiter des Kabaretts. 1987 wurdeer künstlerischer Leiter der «Herkuleskeule», 1997 Intendant.Regelmäßig schreibt er auch Kolumnen für die »Sächsische Zeitung«.

Geändert hat sich in 40 Jahren viel, nur eines ist geblieben: «Ichhabe immer die Zensur im Kopf.« Zu DDR-Zeiten sei es die Fragegewesen, wie er seine «auf Papier formulierte Wut» auf die Bühnebringen konnte, ohne verboten zu werden. Heute sei es eineökonomische Zensur, sagt er: Finanziell überleben könne das Ensemblenur mit ausverkauften Vorstellungen. Schaller sagt: »Wenn wir einesTages nur noch Stücke machen können unter dem Diktat der Ökonomie,dann möchte ich hier nicht mehr arbeiten.»

Statt seinen Geburtstag öffentlich zu feiern, wäre er lieber aufeine einsame Insel geflogen, sagt Schaller. Aber schließlich gibt esdas Jubiläumsprogramm «Morgen war's schöner», dass am 20. AprilPremiere hat und bei dem das ganze Ensemble auf der Bühne steht. Dasist zugleich das Geburtstagsgeschenk seines Ensembles an ihn.