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Wolf Biermann Wolf Biermann: Ausbürgerung aus der DDR vor 35 Jahren

Von Susanne Gabriel 14.11.2011, 11:56

Berlin/dapd. - «Und wenn du weg willst, musst du gehen, ich hab'schon viele abhaun sehn aus unserem halben Land», schrieb WolfBiermann 1976 in seiner «Ballade vom preußischen Ikarus». DerLiedermacher wollte nicht weg aus der DDR, obwohl seine Werke nichtveröffentlicht werden durften, und er elf Jahre lang Auftrittsverbothatte. Die «Ikarus-Ballade» sang er als Zugabe bei dem legendärenKonzert in Köln vor 35 Jahren. Drei Tage später - am 16. November1976 - beschloss das Politbüro, ihm die Rückreise zu verweigern.Einen Tag zuvor war der Künstler, der jetzt seinen 75. Geburtstagfeiert, 40 Jahre alt geworden.

Biermanns Ausbürgerung aus der DDR gilt heute als Anfang vom Endeder realsozialistischen Regierung in Ost-Berlin. Denn dieEntscheidung zog dies- und jenseits der Mauer Kreise. In der DDRunterzeichneten Dutzende prominenter Künstler eine Petition, dieauch im Westen veröffentlicht wurde. Darin protestierten sie gegendie Ausbürgerung Biermanns und bitten darum, «die beschlosseneMaßnahme zu überdenken».

Zu den Unterzeichnern zählten Schriftsteller wie Christa Wolf,Stefan Heym, Jurek Becker oder Günter Kunert ebenso wie dieSchauspieler Manfred Krug, Katharina Thalbach, Angelica Domröse oderArmin Mueller-Stahl. Für die DDR ein Imageverlust ohnegleichen.Einige der Unterzeichner, zum Beispiel Jürgen Fuchs, wurdenmonatelang inhaftiert. Gegen viele andere wie Krug, Becker oderEva-Maria Hagen wurde ein Berufsverbot verhängt, was letztlich zuihrer Ausreise aus der DDR führte. «DDR», so wurde damals unter derHand gespottet, sei eine Abkürzung geworden für «Der Dumme Rest».

Biermann setzte seine Künstlerkarriere im ungeliebten Exil fort.Auch in Westdeutschland blieb er ein Unbequemer: Der bekennendeSozialist trat für die Einheit Deutschlands ein, was ihm Kritik derwestdeutschen Linken einbrachte. Er setzte sich kritisch mit denSystemen der DDR und der BRD auseinander. Er sei «vom Regen in dieJauche gekommen», ist einer von Biermanns bekanntesten Aussprüchen.

Biermann, am 15. November 1936 in Hamburg geboren, war 1953freiwillig in die DDR übergesiedelt. Schon bald machte der Sängerund Liedermacher erste Erfahrungen mit der DDR-Obrigkeit: 1961gründete er mit Freunden ein kleines Theater, das zwei Jahre spätervon den Behörden geschlossen wurde. Es folgte ein halbjährigesAuftrittsverbot für den Künstler. Aus der SED wurde erausgeschlossen.

1964 gastierte er erstmals in der Bundesrepublik. Ein Jahr späterarbeitete er in Frankfurt am Main mit Wolfgang Neuss zusammen.Ebenfalls 1965 erschien im Westberliner Wagenbach Verlag seinGedichtband «Die Drahtharfe». Daraufhin warfen ihm die DDR-BehördenKlassenverrat vor und verhängten gegen ihn ein Auftritts- undPublikationsverbot. In seiner Wohnung gab der Künstler nun Konzerte;einige wurden auf Tonband aufgezeichnet, in den Westen geschmuggeltund dort veröffentlicht.

Dass schließlich auch das Singen der offiziellenDDR-Nationalhymne wegen der Zeile «Deutschland einig Vaterland ...»verboten worden sei, sei ihm «ein giftiger Trost» gewesen, sagteBiermann 1998 in seiner Dankesrede bei der Verleihung desNationalpreises.

Streit in Berlin über Verleihung der Ehrenbürgerwürde

Erst im September 1976 durfte Biermann wieder auftreten; er gabein Konzert in der Prenzlauer Nikolaikirche. Kurz darauf bekam erdas Visum für die Tournee in Westdeutschland, die im November inKöln begann. Bis zum Zusammenbruch des SED-Regimes 1989 sollteBiermann seine Heimat nur noch einmal wiedersehen - 1982 durfte erseinen todkranken Freund Robert Havemann besuchen.

Seinen ersten öffentlichen Auftritt im Osten hatte er im Dezember1989 in Berlin. Mit dem Sozialismus hatte er inzwischen gebrochen.In den Jahren nach der Wiedervereinigung machte Biermann nebenseiner künstlerischen Arbeit mit politischen Aktionen undProvokationen von sich reden. Mit seiner Rede bei der Entgegennahmedes Georg-Büchner-Preises 1991 löste er eine Diskussion über denEinfluss der Stasi auf DDR-Kulturschaffende aus. Er befürwortete denNATO-Einsatz im Kosovo und den US-Einsatz im Irak, und erkritisierte PDS-Politiker wie Gregor Gysi oder Stefan Heym.

Dies hätte ihn 2007 beinahe die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlingekostet. 2008 wurde Biermann auch Ehrendoktor derHumboldt-Universität - zugleich wurde ihm sein Diplom überreicht,das er 1963 trotz erfolgreich bestandener Prüfungen in Ökonomie,Philosophie und Mathematik 1963 aus politischen Motiven nichterhalten hatte.

Den Ruhestand strebt der zehnfache Vater, der mit seiner zweitenEhefrau Pamela und den drei jüngsten Kindern in Hamburg lebt, nochlange nicht an. Gerade veröffentlichte er ein neues Buch «Fliegenmit fremden Federn». Auch um seinen Geburtstag herum stehen Terminunter anderem in Berlin, München, Dresden und Hamburg an.