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Wissenschaft Wissenschaft: Hans Mommsen wird 75 Jahre alt

04.11.2005, 11:48
Der Historiker Hans Mommsen aufgenommen am Donnerstag (27.10.2005) in seiner Wohnung am Starnberger See. (Foto: dpa)
Der Historiker Hans Mommsen aufgenommen am Donnerstag (27.10.2005) in seiner Wohnung am Starnberger See. (Foto: dpa) dpa

Feldafing/dpa. - Zusammen mit seinem vor einem Jahr gestorbenenZwillingsbruder Wolfgang gehört Hans Mommsen seit Jahrzehnten zu denrenommiertesten Vertretern der Historikerzunft in Deutschland. Beiaktuellen historischen oder auch politischen Streitfragen wie zuletztzu den Hintergründen und Auswirkungen der umstrittenen SozialreformHartz IV ist Hans Mommsen, der am Samstag (5. November) seinen 75.Geburtstag feiert, auch in der Öffentlichkeit immer wieder präsent.Mit seinen engagierten Stellungnahmen und Urteilen aus einer sozial-liberalen Grundhaltung heraus hat Mommsen auch zum Selbstverständnisder Bundesrepublik beigetragen.

Ähnlich wie der berühmte Theodor Mommsen, der 1902 für seine«Römische Geschichte» mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde, hatsich auch der Urenkel stets als konfliktfreudig und mit pointierterSchärfe präsentiert. Hans Mommsen war Mitte der 90er Jahre einer derWortführer der Kritiker an dem umstrittenen Buch des US-PolitologenDaniel Goldhagen «Hitlers willige Vollstrecker». Eine heftigeKontroverse löste er schon 1964 aus, als er sich für die These vonder Alleintäterschaft des holländischen Kommunisten Marinus van derLubbe beim Reichstagsbrand 1933 aussprach.

Beide Brüder bezogen im «Historikerstreit» Mitte der 80er Jahreentschieden Position gegen Ernst Noltes These vom «kausalen Nexus»»(Zusammenhang) zwischen den bolschewistischen und den NS-Verbrechen.In zahlreichen Publikationen hat sich Hans Mommsen mit der Geschichteder Sozialdemokratie und der Arbeiterbewegung, der Weimarer Republik,des Nationalsozialismus und des deutschen Widerstandes auseinandergesetzt. Seit 1986 beschäftigte er sich mit dem Forschungsprojekt zurGeschichte des Volkswagenwerks während des Dritten Reiches. Mitseiner 1996 erschienenen, zusammen mit Manfred Grieger verfassten VW-Studie legte er eine der Grundlagen für die Diskussion über NS-Zwangsarbeiter in der deutschen Wirtschaft und deren Entschädigung,die schließlich zu einer entsprechenden Stiftung führte.

Seine akademische Karriere begann der aus Marburg gebürtige Sohndes Historikers Wilhelm Mommsen in Tübingen. Von 1968 bis 1996 lehrteer als Professor für Neuere Geschichte an der Ruhruniversität inBochum. Außerdem war er mehrfach Gastprofessor an Universitäten inden USA und England. Seit seiner Emeritierung lebt Hans Mommsen imoberbayerischen Feldafing am Starnberger See. 2004 hat der BerlinerJournalist Peter Köpf die berühmte Gelehrtenfamilie («Die Mommsens.Von 1848 bis heute - die Geschichte einer Familie ist die Geschichteder Deutschen») porträtiert. Für sein Gesamtwerk erhielt der Jubilar1998 den angesehenen Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg.