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Wie Genesis Potini Neuseeland inspirierte

11.06.2016, 13:52
Cliff Curtis setzt sich als Genesis Potini (l) für benachteiligte Kinder ein. Foto: Koch Media
Cliff Curtis setzt sich als Genesis Potini (l) für benachteiligte Kinder ein. Foto: Koch Media Koch Media

Wellington - Es ist eine Geschichte über Mut und Armut, Hürden und Höhepunkte, Triumphe und Tiefen: Der neuseeländische Film «Das Talent des Genesis Potini» berührt und inspiriert.

Der ungewöhnliche Held der wahren Geschichte ist ein neuseeländischer Ureinwohner, ein Maori, mit einer schweren bipolaren Störung: in einer Minute lammfromm, in der nächsten aggressiv. Der wahre Potini, genannt «Dark Horse», ist 2011 gestorben. Sein Vermächtnis lebt in Neuseeland weiter.

Als «überlebensgroß» beschreiben ihn Leute, die ihn kannten, nicht nur wegen der 140 Kilogramm, die er auf die Waage brachte. «Er war zwar groß und schwarz und hässlich, aber gleichzeitig so ungestüm und offen mit den Kindern - sie haben ihn gleich gemocht», erzählt sein Freund Noble Keelan der Deutschen Presse-Agentur. Mit ihm zusammen hatte Potini den «Eastern Knights»-Schachclub im Städtchen Gisborne gegründet. Eigentlich wollten die beiden nur ihrem Hobby frönen, dann kam die Idee, benachteiligte Kinder, vor allem Maoris, zum Schachspiel zu bringen.

Potini entpuppte sich als Naturtalent. Er baute Geschichten aus der Maori-Mythologie in seine Schachstunden ein und lehrte beim Aufschreiben der Züge nebenbei Mathe und Geometrie. «Er hat eine Methodik entwickelt, die wir bis heute nutzen», sagt Keelan. Jungen erzählen bis heute, wie Potini sie vor einer Karriere als Kleinkriminelle bewahrte. Wie Hone Kewa Pewhairangi, der mit neun Jahren in den Schachclub kam. Maoris seien in Gisborne praktisch als Nichtsnutze abgestempelt, sagte er dem Portal Newshub nach Potinis Tod. «Er gab mir aber etwas anderes zu tun, als Brände zu legen und Leute zu beklauen.»

Keelans Freundschaft mit Potini begann unter keinem guten Stern. Keelan war bei der ersten Begegnung 16. «Er schüttelte meine Hand, kam völlig okay rüber, und dann entschuldigte er sich, ging auf die andere Straßenseite und schlug dort einen Typen zusammen.»

Eine bipolare Störung löst völlig unterschiedliche Stimmungen und Verhaltensweisen aus. «Himmelhochjauchzend - zu Tode betrübt» beschreiben es manche. Phasen der Euphorie und Kreativität lösen solche von Depression und Aggression ab. Potini ist unzählige Male in der Psychiatrie gewesen. Unterkriegen ließ er sich nie.

In einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2003 sagte er: «Ich lebe als Maori, ich lebe als Mensch und ich lebe als Schachspieler, aber ich lebe nicht als Opfer einer bipolaren Störung. Ich habe manische und depressive Phasen, aber ich bin nicht verrückt.» Freunde wie Keelan nannten Potini «Gen», sein Spitzname aber war «Dark Horse», wie der Film auch im Original heißt. «Dunkles Pferd» übersetzt, aber im übertragenen Sinn bezeichnet man damit auch eine «unbekannte Größe», zum Beispiel jemanden, der im Verborgenen unerwartete Talente hat.

Potini war das jüngste Kind einer großen Geschwisterschar. Schach lernte er zu Hause, wie er Radio Neuseeland einmal erzählte: «Ich sah meinen Bruder und meinen Schwager Schach spielen, und sie hatten wohl Spaß dabei, sich vorzumachen, dass sie clever sind. Das wollte ich auch: mir vormachen, dass ich clever bin. Ich habe ihn ewig angebettelt, es mir beizubringen. Bis ich eines Tages heulend aus dem Haus stürmte. Da ist er hinterher und hat gesagt, okay, ich zeig's dir.»

Der Film hat nach Angaben von Sophia Graham von der «Stiftung psychische Krankheiten» geholfen, Vorurteile gegen Menschen mit bipolarer Störung auszuräumen. Die Erfahrung hat auch Keelan gemacht: «Bevor ich Gen traf, dachte ich, solche Leute sind verrückt, die sollten nicht frei rumlaufen. Es sind aber Leute wie du und ich, wir haben alle unsere Höhen und Tiefen.»

Genesis Potini starb mit 47 Jahren an einem Herzinfarkt, kurz nach der Geburt seines Sohnes. Mit dem Film lebt er weiter, sagt Keelan, weil Schauspieler Cliff Curtis ihn so echt darstelle. «Es ist, als ob Gen ihn die ganze Zeit unsichtbar geführt habe», meint Keelan.

Der Schachclub besteht noch heute. Mehr als 15 000 lernten dort schon das Königsspiel. Keelan unterrichtet inzwischen zwei Fünfjährige: seinen eigenen Sohn Purewa und Potinis Sohn Nopera.

Das Talent des Genesis Potini, Neuseeland 2014, 124 Min., FSK ab 12, von James Napier Robertson, mit Cliff Curtis, Wayne Hapi, James Rolleston (dpa)