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Wetten dass..? Wetten dass..?: Aus die Maus für den Show-Klassiker des ZDF

Von Andreas Montag 22.06.2013, 14:55
Moderator Markus Lanz.
Moderator Markus Lanz. dpa Lizenz

Halle (Saale)/MZ. - Es geht ein Gespenst um in Deutschland, seit Monaten schon: Es verbreitet die düstere Botschaft, die Unterhaltungsshow „Wetten, dass..?“ läge im Sterben. Entsprechend groß ist das Entsetzen, hört man. Beim Zweiten Deutschen Fernsehen, kurz ZDF. Das ist nachvollziehbar. Und beim Publikum, den Menschen auf dem Sofa daheim, sei es nicht anders.

Und genau hier liegt die Sollbruchstelle zwischen vermutetem Schrecken und vermuteter Gleichgültigkeit. Natürlich ist „Wetten, dass..?“ eine Sendung, die ganz zu Recht mit dem Etikett legendär beklebt wird. Nur fragt sich eben - oder es lohnte sich immerhin zu fragen, worauf diese Legende sich gründete und weshalb aus dem Selbstläufer ein Hinkemännchen geworden ist.

Zugleich wäre interessant zu wissen, welche Folgen für die deutsche Alltagskultur das Verschwinden der Show hätte. Oder hat womöglich umgekehrt eine Veränderung der Alltagskultur das Erlahmen des Interesses an „Wetten, dass..?“ erst bewirkt?

„Es liegt ein Schatten auf der Sendung“

Als Thomas Gottschalk am 12. Februar 2011 seinem Publikum mitteilte, er werde zum Ende der laufenden Staffel aufhören, ging tatsächlich ein hörbares Seufzen durch die Fernseh-Republik. Denn eines war immer klar, so lange er den Laden schmiss: Wetten, dass es nicht ohne Gottschalk geht? Aber, und das gestanden ihm seine Fans durchaus zu: Nach dem schweren Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch war Gottschalk die Leichtigkeit verloren gegangen. Die aber war neben den aufgeföhnten Locken und den schrillen Klamotten, die er stets trug, das eigentliche Markenzeichen - nein, das Lebenselixier der Show. Die war bis zum 4. Dezember 2010 besser gelaufen als manches Länderspiel. Allerdings bröckelte der Lack allmählich. Und nachdem sich der Schauspielstudent Samuel Koch in Düsseldorf beim Versuch, mit Spezialstiefeln über ein fahrendes Auto zu springen, so schwer verletzt hatte, dass er seither gelähmt ist, brach der Zauber. Wenigstens für Gottschalk. Es liege für ihn „ein Schatten auf der Sendung“, sagte er. Das leuchtete unmittelbar ein. Nur den notorischen Skeptikern, Zynikern und Verschwörungstheoretikern nicht. Die glaubten fest, Gottschalk habe nur die Gelegenheit gesucht, das Format reize ihn nicht mehr. Und nun sei der günstige Augenblick, den Absprung sogar noch mit guten Haltungsnoten hinzubekommen.

Das ist nicht fair gewesen. Thomas Gottschalk, so albern und großmäulig er manchmal war, ist eine Lichtgestalt des oftmals düsteren Fernsehens. Dass er sich, wohl vom Entzug der medialen Präsenz in Panik versetzt, zu einem Höllenkommando wie der von vornherein zum Scheitern verurteilten Vorabend-Quasselei in der ARD bereitgefunden hat, war einzig und allein Mitleid erregend.

Aber so hämisch die Spekulationen über Gottschalks vermeintlich wahre Gründe, bei „Wetten, dass..?“ aufzuhören, gewesen sind - das berühmte Körnchen Wahrheit ist wohl drin gewesen: Die Sendung mit ihren Ritualen hatte den Zenit des Originellen, Frischen, Unerhörten bereits überschritten und befand sich im Abstieg. Zu stereotyp war das Geschehen, wenn auch je nach aktuellen Film- und Plattenstarts mit wechselndem Personal. Und manche Gäste kehrten wenigstens so oft wieder wie die Gesprächspartner in den politischen Talkshows der ARD. Das Strickmuster war allmählich jedem Zuschauer so vertraut, dass Überraschung sich nicht mehr einstellen mochte. Das konnte auch die vom ZDF eingestellte Schönheit Michelle Hunziker nicht ändern, die dem nicht mehr ganz blutjungen Gottschalk einen aufmunternden Kick geben und junge Zuschauer bei der Stange halten sollte.

Die Karawane war nämlich nicht etwa weitergezogen, sie hatte längst begonnen sich aufzulösen. Die gern zitierte Lagerfeuergemeinschaft, die sich großfamiliär an den Samstagabenden vor den Bildschirmen im Wohnzimmer versammelt, jeder ein Schälchen Salzgebäck auf dem Schoß und für den Vati ein frisches Bier dazu - dieses schöne, in Zeiten der Shows von Hans-Joachim Kulenkampff und Peter Frankenfeld gemalte Stillleben deutscher Gemütlichkeit gibt es nicht mehr, es ist auf dem Sperrmüll gelandet, indes die Neuzeit im elektronischen Takt pulsiert.

Gewiss, den „Tatort“ sehen die Menschen noch in Gruppen, die Tendenz ist sogar steigend. Aber das sind andere, frei gebildete Kollektive, die sich hier zu selbstbestimmten Regeln treffen, und das Erlebnis selber, das Krimi-Gucken im Rudel, ist dabei von größerer Wichtigkeit als der jeweilige Film.

Das Publikum ist eben in Auflösung

„Wetten, dass..?“ war schon am Ende, als man in der Mainzer Sendezentrale nach einem neuen Moderator zu suchen begann. Wie Gottschalk sollte er sein, nur eben ganz frisch. Viel jünger natürlich. Und nicht weniger lustig. Diese Suche war die eigentliche Show, was dann unter der Leitung des unglücklichen Markus Lanz begann, war die unvermeidliche Fortsetzung des bereits eingeläuteten Untergangs.

Nun stürzen sich nach jeder Sendung die Auguren auf den Südtiroler, der gewiss ein schönes Mannsbild und auch kein Blödian ist - allein, er ist nicht Gottschalk. Und es ist eine andere Zeit. Und das Publikum ist eben in Auflösung, die Jugend hockt an anderen Lagerfeuern, das hält keiner auf.

Armer Lanz, alle Welt will ihm etwas sagen. Und die ganz Oberschlauen haben längst herausgefunden, dass nicht Lanz es kann, sondern Stefan Raab. Der war zuletzt auf Mallorca zu Gast in der Show. Locker, dreist, selbstherrlich, auch witzig und jedem Sattel gerecht - wie er eben so ist, unser Stefan Raab.

Wenn man ihn sehr bitten würde - wer weiß, ob er es nicht versuchte? Ehrgeizig ist er ja. Dann könnten wir uns auf „Schlag den Raab“ mit anderen, nämlich öffentlich-rechtlichen Mitteln freuen. Oder auch nicht. Die Show aber würde es trotzdem nicht retten.