«West»: Lucinda Williams geht ihren Weg
Hamburg/dpa. - Moden interessieren sie nicht, Lucinda Williams hat immer ihr Ding durchgezogen. Seit über 30 Jahren ist die Singer/Songwriterin im Geschäft, hat aber in dieser Zeit nur ein halbes Dutzend Alben veröffentlicht. Nur die haben es halt in sich. Ihren Durchbruch erlebte sie spät, 1998 mit «Car Wheels On A Gravel Road», einem eher rocklastigen Album, für das sie einen Grammy einheimste, in der Kategorie «Bestes Folkalbum des Jahres».
Nach «Essence» (2001) und «World without Tears» (2003) legt Williams nun «West» vor, ein starkes Album, meilenweit entfernt vom gängigen Alternative Country. Die Stimme ist noch rauer, dissonanter als sonst, und die Musik wirkt komplexer, kommt auf verzweigten Pfaden daher, lässt sich schwer einordnen.
Produziert wurde «West» von Hal Willner, der schon mit Marianne Faithfull, Elvis Costello oder Lou Reed zusammengearbeitet hat, und Willner hat hochkarätige Leute engagiert. Bill Frisell spielt wunderschön mäandernd Gitarre, Jim Keltner sitzt am Schlagzeug, der renommierte Jazzpianist Rob Burger ist mit von der Partie ebenso wie Gary Louris von den Jayhawks als Backgroundsänger. Um nur einige Namen zu nennen.
Ein spannendes Terrain zwischen Folk, Country und Blues erkunden die dreizehn Songs auf «West», lässige Americana, die von den großen Themen handeln: Liebe, Verlust, Abschied. Mit dem innnigen, ausufernden Aufschrei «Are you alright?» geht es los, «Mama you sweet» ist eine ergreifend direkte Elegie, die gar nicht traurig wirkt, eher trotzig- kämpferisch.
«Die letzten vier Jahre waren wahrscheinlich die schwierigste aber auch die kreativste Zeit, was mein Schreiben anging», sagt Lucinda Williams, «ich musste den Tod meiner Mutter verarbeiten und blickte zurück auf eine turbulente Beziehung mit schlechtem Ende ? offensichtlich gab es viel Schmerz und Kampf für mich, aber ich sah das Licht am Ende des Tunnels».
Etliche Songs erzählen vom Ende einer Liebe, aber diese Abgesänge klingen niemals larmoyant, sondern sehr lebendig, wie ein Aufbruch oder eine Befreiung - die Reise geht weiter. Ein schöner, typisch amerikanischer Pragmatismus grundiert dieses Album: «Come out west and see/ The Best that it could be/ I know you won't stay permanently/ But come out west and see/».
Dieser Einladung sollte man auf jeden Fall folgen. Mit Lucinda Williams lässt sich gut gen Westen reiten.