Wendelstein Schloss Hartenfels Wendelstein Schloss Hartenfels: Wackelpartie auf schlanken Pfeilern
Torgau/MZ. - Nach dreißig Jahren Verfall bis hin zur Baufälligkeit öffnet sich der Wendelstein wieder dem Besucher. Die monumentale Treppenspindel, die den Schlosshof mit filigraner Pracht beherrscht, ist das Wahrzeichen einer Residenz, der nur eine kurze Glanzzeit beschieden war. Erst mit der Wiederherstellung dieses Details wird das Schloss zu einer aussagekräftigen Kulisse für ein historisches Panorama, wie es die Landesausstellung sein will.
Tatsächlich wird sich kaum jemand von den 300 000 Besuchern, auf die die Stadt und die Dresdner Staatlichen Kunstsammlungen hoffen, das Erlebnis entgehen lassen, die 153 Stufen bis zum Rundumblick hinaufzusteigen. Architektonisch jedenfalls sagt der Treppenturm ebenso viel über die Renaissanche am kursächsischen Hof aus wie die Meisterwerke von Cranach, Tizian und Dürer, die nur für die Dauer der Ausstellung zurückkehren. Es gibt in der gigantischen Schlossanlage keinen Raum mit Ausnahme der Kapelle, der noch so viel authentische Strahlkraft besitzt wie der Wendelstein.
Und das, obwohl die Restaurierung des Bauwerks letztendlich zur Erneuerung von etwa der Hälfte der Stufen und zahlreichen Bausteinen führte. Aber der Zustand ließ offenbar keine andere Wahl. Auch die Statik war eine Herausforderung. 1991 startete ein Bundesforschungsprogramm zur Steinsanierung ein Pilotprojekt zum Wendelstein. 1995 folgte die Leipziger Technik-Hochschule mit einer Untersuchung des Tragsystems.
Diese Grundlagenarbeit war Voraussetzung für einen fast beispiellosen Sanierungsaufwand. So wurde deutlich, dass die vergleichsweise papierene Konstruktion der schlanken Pfeiler ihre Standfestigkeit dem Verbund mit den Treppen verdankt. Als die Treppen ausgebaut wurden, musste das verbleibende Skelett massiv gestützt werden. Die vielfach festgestellten Risse an den im übrigen schwer verwitterten Stufen waren die Folge der "Biegezugkräfte", die in dem Bauwerk von Anfang an aktiv waren. Die Stufen wurden in Acrylharz getränkt, weil damit ihre Reißfestigkeit um das Achtfache gesteigert werden konnte. Gut 500 Jahre nach der Erbauung wurde deutlich, mit wie viel Risiko die Baumeister ans Werk gingen, um mit den Konstrukteuren von der Loire gleichzuziehen: Der Torgauer Wendelstein forderte den Vergleich mit Chambord und Blois heraus.