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Weimar Weimar: Kopfzerbrechen um Schillers Schädel

Von Andreas Hillger 02.05.2008, 19:22

Weimar/MZ. - Fehlende Präzision

Dass sie dabei Spuren folgen muss, die im 19. Jahrhundert eher durch empathische Verehrung als durch pathologische Präzision gelegt wurden, schmälert die Chance von vornherein: Der Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe hatte aus dem Kassengewölbe, in dem Schiller 1805 beigesetzt worden war, nach mehr als zwei Jahrzehnten die mutmaßlichen Gebeine des Dichters geborgen.

Sein Problem bestand darin, dass dort auch 63 andere Tote beigesetzt worden waren - und seine Lösung lag im Abgleich einer Totenmaske mit 23 vorgefundenen Schädeln. An dieser Augenschein-Methode hegten Wissenschaftler bald Zweifel. 1911 erklärte der Anatom August von Frohriep ein anderes Exemplar aus der gleichen Grabstätte für echt. Seither liegen zwei Schiller-Schädel in der Fürstengruft, auch der Russe Michail M. Gerassimov konnte mit seiner Gesichtsrekonstruktion 1961 keine Klarheit schaffen. Aufschluss erhofft man sich nun von der DNA-Analyse, für deren Gelingen aber mehr als die drei Schiller-Locken aus dem Besitz der Klassik-Stiftung nötig waren. In Meiningen wurde das Grab von Schillers Schwester Christophine Reinwald geöffnet, in Bonn exhumierte man seine Ehefrau Charlotte und seinen zweitältesten Sohn Ernst Friedrich Wilhelm - und in Stuttgart sicherte man sich genetisches Material von dessen älterem Bruder Carl Friedrich Ludwig.

Nur für Schillers Vater und seine jüngste Schwester warf sich im schwäbischen Gerlingen der evangelische Gemeindepfarrer in die Bresche: Er stellte die Wahrung der Totenruhe über das wissenschaftliche Interesse. Dass ein Team des Landesfunkhauses Thüringen um die Autorin Ute Gebhardt jeden Schritt der Recherche begleiten durfte, sorgt nun für besondere Geheimhaltung: Erst im Anschluss an die 90-minütige Dokumentation soll am kommenden Montag eine Pressekonferenz über die Untersuchungen informieren, an denen u. a. Fachleute des DNA-Identifikations-Labors der US-Streitkräfte in Rockville (Maryland) sowie der für die Erforschung der "Ötzi"-Mumie zuständige Walther Parsons aus Innsbruck teilnahmen.

Unangenehmster Fall

Das schlimmstmögliche Ergebnis hatte der Weimarer Stiftungspräsident Hellmut Seemann bereits vorab beschrieben: "Der unangenehmste Fall wäre, wenn beide Schädel von Schiller stammen". Nicht weniger heikel dürfte allerdings die mögliche Nachricht wirken, dass sich keiner der beiden Köpfe Schiller zuordnen lässt.

Ob Goethe solche Zweifel plagten, als er 1827 seine Terzinen "Bei Betrachtung von Schillers Schädel" schrieb? Immerhin begann der Dichter, der die angebliche Reliquie seines Kollegen und Konkurrenten eine Zeit lang im eigenen Hause aufbewahrte, das Gedicht mit: "Im ernsten Beinhaus war's, wo ich beschaute / Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten".

Der Bericht im MDR-Fernsehen beginnt am Samstag um 22 Uhr.