1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Vor zehn Jahren starb Stefan Diestelmann: Vor zehn Jahren starb Stefan Diestelmann: Der König des Blues hat kein Grab

Vor zehn Jahren starb Stefan Diestelmann Vor zehn Jahren starb Stefan Diestelmann: Der König des Blues hat kein Grab

Von Steffen Könau 27.03.2017, 06:00
Blues-Legenden: Stefan Diestelmann (links) und Alexis Korner
Blues-Legenden: Stefan Diestelmann (links) und Alexis Korner Archiv Steffen Könau

Halle (Saale) - Bei seinem letzten Auftritt war ein kleines Boot die Bühne. Stefan Diestelmann, rotes T-Shirt, knappe Shorts, war untergetaucht. „Ich brauche das nicht mehr“, sagt der 56-Jährige, ehe er sich hinter das Steuerrad schwingt. Es ist das Jahr 2003, Stefan Diestelmann lebt im 20. Jahr seit dem großen Ruhm. Die CDs, die er einspielt, verkauft die Metzgerfrau im Ort. „Du machst doch gute Musik“, lobt sie den Nachbarn, „die können wir doch dann auch verkaufen.“

Stefan Diestelmann: Von einem der bekanntesten deutschen Bluesmusiker zum einsamen Wolf

Stefan Diestelmann war sich nicht sicher. Aber der Mann, der einmal einer der bekanntesten deutschen Bluesmusiker gewesen war, ist nicht frei von Eitelkeiten. „Die CDs waren in kurzer Zeit alle weg“, freut er sich. Man muss dabei bedenken: Diestelmanns Boot schwimmt auf dem Ammersee, mitten in Bayern. Hier war Diestelmann nicht einmal berühmt, als er berühmt war. „Aber es kommen immer Touristen, die staunen, eyho, gucke mal, dor Diestelmann“, lautmalt er auf Sächsisch. Dann kaufen sie das, die alten Fans, die er nach seiner Flucht in den Westen hinter sich gelassen hatte. Zuerst wohnte Diestelmann noch bei seinem Mitmusiker, dem Lindenberg-Pianisten und heutigen Köthner Professor Gottfried Böttger. „Aber eines Tages war er verschwunden“, erinnert sich Böttger.

Für einen wie Diestelmann eine rätselhafte Entscheidung. Sein Vater Jochen Diestelmann war Defa-Schauspieler, er spielte für Konrad Wolf und Frank Beyer. Noch als Kind tritt der Sohn in die Fußstapfen: Mit Otto Mellies spielt er im „Der Arzt von Bothenow“. Doch im normalen Leben wird er gemobbt. „Ich habe gebayert“, sagt er. Das reicht den Mitschülern. Zu Hause erlebt er Gewalt. „Vater schlug zu, Mutter schlug zu“, sagt er. Rettung verspricht der Blues. „Mich hat der Rhythmus angemacht“, beschreibt er. Diestelmann hat eine Fünf in Musik, aber er spielt BB King und Muddy Waters locker nach. Die Stars, die er anhimmelt, die stehen im Westen auf der Bühne. „Ich wollte einfach rüber“, sagt er.

Stefan Dieselmann: Seine erste Solo-Platte schlägt alle Rekorde - Die Hallen sind voll

Erkundigungen nach Fluchtmöglichkeiten enden in einer Besserungsanstalt. Nach der Entlassung klingelt es an der Tür und der Gitarrist Axel Stammberger holt ihn in seine Band. Dort startet Diestelmann durch. Er spielt den Blues auf seine Art, wild und ursprünglich, aber auch deutsch bis ins Mark. Seine erste Solo-Platte schlägt alle Rekorde. Die Hallen sind voll. Die LP „Hofmusik“ macht Diestelmann zum König des Blues in der DDR, dem die Fans hinterherreisen, wie die Stasi im Operativen Vorgang „Diestel“ feststellt.

Als die DDR versucht, ihn durch Westauftritte enger zu binden, bekommt er Angst, die Genehmigung wieder zu verlieren. Nach einem Auftritt kehrt Diestelmann nicht mehr zurück. Aber der Westen bietet dem Star nur Cafés statt Konzerthallen. Der wichtigste Blues-Mann der DDR dreht nun Werbefilme für Hotels. Kein Blues mehr, kein Applaus. „Er hat sich auch der Familie entzogen“, erinnert sich sein Onkel Jürgen Diestelmann.

Stefan Diestelmann stirbt am 27. März 2007 - Sein Grab ist unbekannt

Sein Vermieter ist der letzte Mensch, der weiß, dass der Mann im kleinen Boot der Blues-König des Ostens ist. Stefan Diestelmann stirbt am 27. März 2007. Sein Arzt, der gleichzeitig sein Nachbar und letzter Freund war, bittet um Respekt für den Wunsch des Toten, dass weder bekannt werden soll, woran er gestorben ist, noch, wo der König des Blues heute begraben liegt. (mz)