Feiern, bis die Stasi kommt Vor 50 Jahren öffnete Wasja Götze eine freie Galerie

Halle (Saale) - Den stillen, zum Garten aufsteigenden Hof hinter dem schmalen Haus in der halleschen Burgstraße gibt es immer noch. Und Wasja Götze lebt mit seiner Frau Inge am angestammten Platz. Moritz Götze, der Sohn des Künstlerpaares und selbst Maler, ist dort aufgewachsen.
Ein fast märchenhaft wirkender Ort, wohltuend aus der Zeit allumfassender Bau- und Erneuerungswut gefallen. Zumal der Hof, bis auf den Verlauf einer steinernen Treppe, der leicht korrigiert wurde, so geblieben ist, wie er vor 50 Jahren ausgesehen hat: Ein freundlicher und gastlicher Platz, wo den Götzes von jeher Freunde und Gäste herzlich willkommen waren - zum Reden und Feiern. Es verging praktisch kein Abend, an dem man nicht getagt hätte im Hof, erinnert Moritz Götze aus Kindertagen.
1996 eröffnete Wasja Götze seine Hinterhofgalerie in Halle
Im Mai 1969, vor 50 Jahren, weckte dieser friedliche Ort die Aufmerksamkeit der DDR-Behörden, Wasja Götzes „Karriere“ als Staatsfeind nahm Fahrt auf. Was war geschehen? Götze, damals 28 Jahre alt und mit ebenso viel Lust auf Experimente wie Freude am Feiern und guten Gesprächen gesegnet, hatte Künstlerfreunde dazu eingeladen, in seinem Freiraum ihre neuen Werke auszustellen. Und Publikum war selbstverständlich ebenfalls erwünscht, um Kunst zu sehen und darüber zu diskutieren.
Natürlich stand in dieser Angelegenheit kein Aufruf in der Zeitung, es war ja eine private Initiative, abseits der sozialistischen Hauptstraße, auf der man gefälligst mit dem Kollektiv marschieren sollte, und wäre deshalb von den Behörden keinesfalls für gut befunden worden. Ereignisse wie die Hofgalerie im Hause Götze verbreiteten sich durch Weitersagen an Menschen, die man für vertrauenswürdig hielt.
Namhafte Teilnehmer beteiligten sich an Götzes Galerie
Die Liste der beteiligten Künstler enthält klangvolle Namen: Karl Müller, Karin Riebensahm, Ludwig Ehrler, Gertraud und Otto Möhwald, Peter Zinecker, Bernd Göbel, Gerhard Schwarz, Fritz Müller, Holle Mohr, Wolfgang Barton und natürlich Wasja Götze, der Gastgeber, selbst.
Die Hofgalerie war geboren - weitgehend unbekümmert und gar nicht als Angriff auf den Arbeiter- und Bauernstaat gedacht, sondern als eine selbstverständliche, gemeinschaftliche Übung der Freiheit von Menschen, deren Leben und Arbeit von der Kunst bestimmt war. An den Abenden gab es nicht nur Bilder zu sehen und Wein zu trinken, es war auch an ein Begleitprogramm gedacht; Der Puppenspieler Frieder Simon trat in der Burgstraße auf, eine Jazzband spielte, Lesungen hätte es noch geben sollen.
Hinterhofgalerie in Halle: Nach drei Tagen griff die Stasi durch
Aber das war den Hütern von Ordnung und Sicherheit des Guten denn doch zu viel. Ganze drei Tage durfte die Hofgalerie Bestand haben, von der Eröffnung an einem Sonntagabend bis zum folgenden Mittwoch. Dann klopften drei Personen an die Haustür und verlangten den Gastgeber zu sprechen. Die in der Stadt Halle von Amts wegen für das Kulturelle zuständige Frau war dabei. Ein Staatsanwalt auch. Und ein weiterer Mann, der schweigsam war und nichts über seine Tätigkeit verlauten ließ, mutmaßlich also ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).
Die Herrschaften hatten sich große Sorgen gemacht, was man auch verstehen kann: Klein und scheinbar harmlos fangen Aufstände an, das hatten sie aus dem Prager Frühling gelernt. Dessen Niederschlagung lag noch nicht mal ein Jahr zurück. Reicht man diesem Künstlervolk den kleinen Finger - schwupps, nehmen diese Unruhestifter die ganze Hand und schon versinkt der schöne, grabesstille Realsozialismus im Chaos der Anarchie. So etwa dachten sie wohl, die ungebetenen Gäste in Götzes Hof.
Hinterhofgalerie in Halle: Strafbefehl über 600 Mark
Damit war das Ende der Galerie besiegelt, die Gäste wurden nach Hause geschickt, der „Rädelsführer“ zur weiteren Befragung durch die zuständigen Kultur- und Sicherheitsbehörden einbestellt. Am Ende gab es einen Strafbefehl über 600 Mark gegen Wasja Götze, nicht wenig Geld - aber das wurde schnell unter Freunden eingesammelt.
Schwerer wog, dass mit diesem Ereignis das Schicksal des noch jungen Künstlers und Familienvaters als Oppositioneller besiegelt war, den man im Auge behalten musste und am liebsten außer Landes geschickt hätte. Der wollte aber nicht fort aus seiner Stadt und durfte sich deshalb fortan gewiss sein, dass die Stasi sein ungebundenes Leben mit Aufmerksamkeit verfolgen würde. Die Genossen ließen sich von einem offenbar in Kunstdingen nicht unbeschlagenen Zuträger sogar Götzes Bilder erklären:
„Hervorzuheben ist aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetztes Wesen mit einem roten (!) Papageienkopf. Wenn man davon ausgeht, dass der Papagei als Kanzelredner in der politischen Grafik der Vergangenheit (so bei Goya) immer wieder eine Rolle spielte, so kann es sich hier nur um eine Satire auf kommunistische Propaganda, wie G. sie versteht, handeln.“
Das mutet aus heutiger Sicht komisch an. Aber damals war es durchaus nicht witzig. Die Staatsmacht verstand keinen Spaß. (mz)
