Vor 200 Jahren Vor 200 Jahren: Preußen auf der Schlachteplatte
Cospeda/MZ. - Napoleon, der geopolitische Alleszermalmer, ist zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre alt. Wie ein Unwetter ist seine Armee durch die Trümmer des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gezogen. Mit einer sensationellen Geschwindigkeit von rund 40 Kilometern pro Tag. Auf dem Windknollen aber hat der Franzose erst 25 000 eigene Männer hinter sich gesammelt.
Auf dem Windknollen
Im Blick auf Hohenlohes Zelte ist Napoleon überzeugt davon, das komplette preußisch-sächsische Heer vor sich zu haben. Eine Übermacht, wie er meint, fünf zu eins gegen Frankreich. Doch das kann einen Korsen nicht erschüttern. Napoleon lässt Stellung beziehen. Höchstselbst soll er mit der Fackel den Weg beleuchtet haben, über den die Soldaten von Jena her ihre schweren Geschütze zur Hochfläche hinaufkarren. Dann zieht sich das Korps mit seinem Kaiser ins Zeltlager zurück, um in einen Tag hineinzuschlafen, von dem viele nicht wissen, ob es ihr letzter ist.
Der Windknollen ist heute ein weitflächiges Naturschutzgebiet, 185 Hektar groß. Kleingewächse, Halbtrockenwiesen, eine landschaftliche Sehenswürdigkeit, nur eine halbe Fußstunde von Jena entfernt. Es sieht hier durchaus nach Schlachtfeld aus: hartes hellgraues Gras, felsiger Grund, ein, zwei Baum-Skelette. die ins Himmelblau stechen. Von 1937 an übte hier oben Kavallerie der Wehrmacht, während der DDR-Jahre ließen die Russen auf dem Gelände ihre Panzer rollen. Ein 1991 neu gesetzter Gedenkstein steht dort, wo der Kaiser gestanden haben soll. Ein Golo Mann-Zitat ist da zu lesen: "In Deutschland labte man sich an größerem Hasse wie an heißerer Bewunderung Napoleons ein gutes Jahrhundert lang". Distanzen zu ausgewählten Napoleon-Stationen werden angegeben: Sankt Helena 7 626, Waterloo 503, Auerstedt 17 Kilometer vom Windknollen entfernt. Eine Sitzbank lädt ein, um hinab ins Tal auf Jena zu blicken.
Im Rücken der Bank brach am Sonnabend vor 200 Jahren das große Hauen und Stechen los, das als Doppelschlacht von Jena und Auerstedt überliefert wurde. Bei dichtem Nebel am Anfang: "so dick, dass man nur blind hineinschießen konnte". Die Schlacht bei Jena - 95 000 Franzosen gegen 53 000 Preußen und Sachsen - bestand aus fünf Gefechten, dessen blutigstes bei dem Dorf Vierzehnheiligen zu Ende ging.
Über 15 000 Tote
Über zwei Stunden stand dort Hohenlohes Truppe bewegungslos als Zielscheibe in der offenen Landschaft; sie wurde zusammengeschossen. So profitierte Napoleon von den Mängeln der friderizianischen Armee: langwierige Befehlsgänge (der Preußenkönig saß in Erfurt, jede Truppenbewegung musste erst von ihm bestätigt werden), aufwändige Versorgung (Munitionsnachschub wurde aus Breslau herbeigeschafft), überalterte Führer. Die Bilanz: 10 000 Tote und Verwundete bei Preußen und Sachsen, 7 500 bei den Franzosen.
Im "Museum 1806", das im Dorfgasthof "Grüner Baum zur Nachtigall" in Jena-Cospeda betrieben wird, steht man auf Steinen, die vom Jenaer Kirchplatz herbeigeschafft worden sind. Auf diesem Grund sind die Verwundeten verblutet. Von den Zirkeln der Militärhistoriker und Schlachtschausteller abgesehen, ist dieser Tag, der das alte Preußen untergehen ließ, ein Ereignis ohne tiefergreifende kollektive Erinnerung geblieben.
Gerd Fesser: 1806. Die Doppelschlachtbei Jena undAuerstedt, Bussert & Stadeler, Jena, 116 Seiten, 14,90 Euro