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Virginia Woolf Virginia Woolf: Pionierin der Moderne und des Feminismus

Von Wolfgang Harms 24.01.2007, 07:28
Die britische Schriftstellerin Virginia Woolf (in einer zeitgenössischen Aufnahme) gilt heute als eine der einflussreichsten feministischen Autorinnen des vorigen Jahrhunderts und als Pionierin der literarischen Moderne. (Foto: dpa)
Die britische Schriftstellerin Virginia Woolf (in einer zeitgenössischen Aufnahme) gilt heute als eine der einflussreichsten feministischen Autorinnen des vorigen Jahrhunderts und als Pionierin der literarischen Moderne. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Dieenglische Schriftstellerin Virginia Woolf gilt heute als eine der einflussreichsten feministischen Autorinnen des vorigen Jahrhundertsund als Pionierin der literarischen Moderne. Doch sie ist auch einetragische Figur: Die hoch begabte Gelehrten-Tochter wurde als Mädchenmissbraucht, litt zeitlebens unter Depressionen und ertränkte sichschließlich mit 59 Jahren. Am Donnerstag (25. Januar) vor 125 Jahrenwurde Virginia Woolf als Adeline Virgina Stephen in London geboren.

Ihre Kindheit war ist so privilegiert wie überschattet. DieFamilie ist wohlhabend und pflegt intellektuelle Kontakte, Hauslehrerersparen Virginia und ihren sieben Geschwistern den Schulbesuch. Dochmit 13 verliert sie ihre Mutter und stürzt in ihre erste psychischeKrise. Um dieselbe Zeit wird sie Opfer eines sexuell zudringlichenHalbbruders - fortan habe sie «keine Freude mehr an meinem Körper»empfunden, wie sie sich als Erwachsene erinnert.

Doch Melancholie ist nur eine Seite ihres Charakters: Mit großerProduktivität verfasst sie Essays und Rezensionen für die «Times»,schreibt Briefe und Tagebucheinträge voll sarkastischer Skizzen.Gesprächspartner erleben sie als gescheit und ungemein witzig, fürKlatsch und Tratsch ebenso aufgeschlossen wie für Diskussionen überKunst und Politik. Ihre Schwester Vanessa und ihr Bruder Thobypflegen dieselben Interessen: Ihr Haus im Londoner Bohème-ViertelBloomsbury wird Treffpunkt eines Künstlerzirkels, zu dem unteranderem der Romancier E.M. Forster, der Philosoph Bertrand Russel undder Ökonom John Maynard Keynes stoßen.

Man pflegt einen elitären Nonkonformismus mit Spaß an derProvokation. 1910 reist Virginia mit falschem Bart und Fantasiekostümin den Küstenort Weymouth, gibt sich als Kaiser von Abessinien ausund lässt sich durch das königliche Kriegsschiff «Dreadnought»führen. Dem Übermut folgt der seelische Absturz. 1913 unternimmt sieden ersten Selbstmordversuch - nur wenige Monate nach der Heirat mitdem Literaturkritiker Leonard Woolf.

Ihre Kreativität leidet nicht: 1915 erscheint ihr erster Roman«The Voyage Out» («Die Fahrt hinaus»), 1922 folgt «Jacob's Room»(«Jakobs Zimmer»), in dem Virginia Woolf nahezu gleichzeitig mitJames Joyce die Darstellungsform des inneren Monologs entwickelt.«Mrs. Dalloway» (1925) komponiert sie aus bewussten, halbbewusstenund mitunter nur fragmentarischen Gedanken ihrer Figuren, hinterdenen die äußere Handlung zurücktritt. In «Orlando» (1928) lässt siedie Titelfigur durch die Jahrhunderte reisen und das Geschlechtwechseln - so verarbeitet sie ihr Verhältnis mit der Schriftsteller-Kollegin Vita Sackville-West.

Zwar gelten Virginia Woolfs Romane bis heute als wichtige Werkeder literarischen Moderne, doch ihren Nachruhm verdankt sie vor allemihren späten Essays. «A Room of One's own» («Ein Zimmer für sichallein») von 1929 klagt die widrigen Arbeitsumständen weiblicherAutoren an: «Fünfhundert Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer», undeine Frau könne so erfolgreich schreiben wie ein Mann, heißt esdarin. Der Text wird zu einem viel zitierten Dokument derFrauenbewegung, ebenso wie «Three Guineas» («Drei Guineen»), in demWoolf kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs über den Zusammenhangzwischen männlicher Dominanz und Militarismus nachdenkt.

Doch schriftstellerischer Erfolg kann ihre Psyche nicht kurieren.Immer wieder erleidet Woolf depressive Schübe, hört Stimmen, kanntagelang nicht arbeiten. 1940 zerstören deutsche Bomben ihr LondonerHaus. Schließlich mag sie die Angst vor einem neuenNervenzusammenbruch nicht mehr ertragen. Am 28. März 1941 stürzt siesich in das Flüsschen Ouse in der idyllischen Grafschaft Sussex - umsicher zu gehen, packt sich die glänzende Schwimmerin zuvor einenschweren Stein in den Mantel.