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"Villa Verdi" "Villa Verdi": Melancholischer Abend über die Liebe zum Theater

Von joachim lange 26.04.2013, 21:30
Bei Kresnik geht es immer auch um Grundsätzliches.
Bei Kresnik geht es immer auch um Grundsätzliches. thomas aurin Lizenz

berlin/MZ - Es hört sich toll an, dass Giuseppe Verdi sein Altersheim für verarmte Künstler angeblich für seine wichtigste Hinterlassenschaft hielt. Das stimmt natürlich nicht, ist aber sympathisch. Wie seine Musik (die ihm in Wirklichkeit die Unsterblichkeit sichert) gibt es die „Casa di riposo“ immer noch. Und ist immer noch nötig.

Frei nach Daniel Schmids Dokumentarfilm „Il Bacio di Tosca“ ist Johann Kresnik jetzt nach mehr als zehn Jahren zum ersten Mal mit seiner „Villa Verdi“ an die Volksbühne zurückgekehrt. Es sieht aus wie eine chaotische Probe für eine Gala. Mit dem Charme des Improvisierens, mit viel gelebtem Künstlerleben und jeder Menge Wut. Auch mit Theaterblut – da bleibt Kresnik eben auch mit 73 Kresnik. Vor allem aber mit einer liebevoll zelebrierten Authentizität.

Dieser 100minütige Abend ist eine Spielart von Reality Theater, bei dem sich die Akteure im Grunde selbst darstellen. Dem Mimen flicht die Nachwelt ja bekanntlich keine Kränze. Bei der hinreißend zarten, so wunderbar weich rollenden, über die Volksbühnenbretter schwebenden Ilse Ritter (68) kommen nicht nur diese Schillerworte wie von der Muse des Theaters selbst gesprochen. Das ist hier ganz und gar ernst gemeint und ganz und gar selbstironisch. Überhaupt: Dieses Veteranen-Ensemble traut sich und riskiert was. Dem kann man sich nicht entziehen.

Wenn der einstige Lindenopernstar Jutta Vulpius (85) gestützt auf ihren Stock, mit deutlich erkennbarer Erinnerung an ihre einstige Stimme Toscas „Nur der Schönheit weiht ich mein Leben“ anstimmt und hinter ihr die nackte, mit blutverschmierter Scham an ein imaginäres Kreuz geschlagene Sarah Bernhardt aus der Versenkung auftaucht und ihre junge Stimme dem schönen Alte-Damen-Gesicht ausleiht, dann hat der Abend seinen stärksten Moment erreicht.

Seine komischsten hat er, wenn Jochen Kowalksi (mit 59 in der Umgebung ein junger Hüpfer) aus dem Schrankkoffer springt und weder Verdi, noch Wagner, sondern das „Chacun à son goût“ des Prinzen Orlofsky aus der Fledermaus schmettert, später einen herrlich gebrochenen Revuetreppenauftritt und schließlich einen grandiosen Abgang als alte, mit schwarzem Tüll drapierte Pique Dame Gräfin zelebriert. Der ist einfach gut. Auch Annekatrin Bürger (76) mit ihrer dunklen Chanson–Stimme ist es.

Wenn sie am Anfang alle zusammen zum Gefangenenchor aus Nabucco ihre Schminktische mit ihren Jugendbildern auf der Rückseite wie Rollatoren an die Rampe schieben und am Ende die über allem schwebende Decke, sprich „das Theater“, krachend einstürzt, dann ist das Kresnik-Theater mit Botschaft. Wenn dann aber im Land der höchsten Theater- und Orchesterdichte der Welt die Politiker in Stammtischmanier die bösen Barbaren sind, die nichts als die Schließung der Theater und die Entsorgung der Alten im Sinne haben, wird Christoph Klimkes Text so agitprop-platt, dass es schon peinlich ist. Alles in allem ein melancholischer Kresnik-Abend, der zwar kein Stück geworden ist, aber eine Liebeserklärung an das Theater und seine Künstler.

Nächste Vorstellungen: heute und am 3. Mai, jeweils um 19.30 Uhr